HAMBURG. Die Einrichtung sogenannter Gefahrengebiete, welche der Polizei erweiterte Befugnisse wie verdachtsunabhängige Personenkontrollen erlauben, steht nicht mit dem Grundgesetz im Einklang. Das entschied das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung. Im konkreten Fall ging es um die Einrichtung eines Gefahrengebietes im Hamburger Schanzenviertel vom 30. April und 1. Mai 2011, gegen die eine Anwohnerin geklagt hatte.
Die Frau war mit drei Bekannten am späten Abend des 30. Aprils im Schanzenviertel innerhalb des Gefahrengebietes zu Fuß unterwegs. Dabei wurde sie von einer Polizeikette angehalten und ihre Personalien festgestellt. Ihr Rucksack durchsuchte eine Polizistin. Ein bei der Kontrolle anwesender Polizist verfügte über ein Aufenthaltsverbot. Im weiteren Verlauf kam die Klägerin in Polizeigewahrsam, aus dem sie nach mehreren Stunden um drei Uhr früh entlassen wurde.
Erfahrungswerte der Polizei zu unkonkret
Sowohl ihre Identitätsfeststellung als auch die Kontrolle ihres Rucksackes seien rechtswidrig gewesen, klagte die Frau vor dem Hamburger Verwaltungsgericht, ebenso das erteilte Aufenthaltsverbot sowie die Ingewahrsamnahme. Die Stadt Hamburg dagegen argumentierte, die Klägerin habe augenscheinlich dem linken Spektrum angehört und entsprechende Maßnahmen seien gerechtfertigt. In der Vergangenheit habe es im Schanzenviertel zu diesem Datum regelmäßig Ausschreitungen gegeben.
Das Verwaltungsgericht wertete die Ingewahrsamnahme nun als Rechtsbruch, wies die übrigen Klagepunkte aber zurück, wogegen die Frau in Berufung ging. Das Oberverwaltungsgericht folgte nun in seiner Grundsatzentscheidung der Klägerin. Die Rechtsgrundlage der durchgeführten Maßnahmen verletzte die informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen dieses Grundrechtes sind zwar möglich, jedoch müsse die Norm „handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit“ schaffen.
Der Ausweitung des Gefahrengebietes lagen laut Gericht jedoch lediglich „die aus Erfahrungen der vergangenen Jahre beziehungsweise bei vergleichbaren Anlässen abgeleitete Bewertung zugrunde“, kritisierte das Gericht. Auch monierte es die verdachtsunabhängie Kontrollen. Diese würden dazu führen, „daß mit jeder – für die Umgebung wahrnehmbaren – Kontrolle im Gefahrengebiet eine stigmatisierende Wirkung verbunden ist“. (FA)