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Zu wenig Personal: Oberstaatsanwalt warnt: Rechtsstaat kaum noch funktionsfähig

Zu wenig Personal: Oberstaatsanwalt warnt: Rechtsstaat kaum noch funktionsfähig

Zu wenig Personal: Oberstaatsanwalt warnt: Rechtsstaat kaum noch funktionsfähig

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Chef der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, Ralph Knispel: 8.500 nicht vollstreckte Haftbefehle in Berlin Foto: picture alliance
Zu wenig Personal
 

Oberstaatsanwalt warnt: Rechtsstaat kaum noch funktionsfähig

Laut dem Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel ist der Rechtsstaat in Deutschland „in weiten Teilen nicht mehr funktionstüchtig“. Wenn die Politik erkläre, der Staat würde bei Verbrechen mit aller Härte durchgreifen, sei das für ihn nicht mehr als eine Floskel. Viele Kollegen seien schon in die „innerliche Kündigung“ gegangen.
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BERLIN. Laut dem Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel ist der Rechtsstaat in Deutschland „in weiten Teilen nicht mehr funktionstüchtig“. Wenn die Politik erkläre, der Staat würde bei Verbrechen mit aller Härte durchgreifen, sei das für ihn nicht mehr als eine Floskel, sagte der Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte (VBS) in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. „Diese Wortungetüme der Betroffenheit, da vermag uns niemand mehr hinter dem Ofen hervorzulocken.“ Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats sei auch in der Bevölkerung „immens gesunken“, konstatierte Knispel.

Zwar würde immer wieder „neues Personal eingestellt werden, selbst in Berlin“, doch könne das nicht über die anstehende Pensionierungswelle hinwegtäuschen. „Bis 2030 werden rund 40 Prozent der Beschäftigten im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst in den Ruhestand gehen“, verdeutlichte der Oberstaatsanwalt. Diese Personalausfälle werde man nicht auffangen können.

Die kriminelle Szene lache die Justiz aus

Knispel berichtete von aktuell „mehr als 8.500 nicht vollstreckten Haftbefehlen alleine in der Hauptstadt“ und von Straftätern, die wieder freikommen, weil dem Gericht Kapazitäten für Prozesse fehlten. Auch Personen aus der Organisierten Kriminalität würden recht früh in den offenen Vollzug kommen, weil die Gefängnisse überfüllt seien. Die kriminelle Szene lache die Justiz aus.

Staatsanwälte müßten ihre Akten selber schreiben und kopieren, auch um die Herbeischaffung und den Transport von Akten kümmere sich jeder selbst. Hilfskräfte gebe es nicht. Das sei nicht nur in Berlin der Fall. „In weiten Teilen der Bundesrepublik schreiben die Kollegen selber“, beklagte der VBS-Chef.

Das belaste die meisten Staatsanwälte zunehmend, warnte Knispel. „Wenn Sie versuchen den Stein hochzurollen und feststellen, oben kommen schon wieder die nächsten zehn herunter, das frustriert.“ Viele Kollegen hätten schon aufgegeben und seien in die „innerliche Kündigung“ gegangen.

Staatsanwälte müssen sich Zimmer teilen

Knispel erzählte in der Sendung aus seinem Alltag: „In Berlin werden jeden Mittwoch um 17 Uhr die Rechner heruntergefahren, weil um diese Zeit Wartungsarbeiten durchgeführt werden.“ Im Kriminalgericht in Berlin-Moabit würden Staatsanwälte in mehrfach belegten Zimmern sitzen. „Die Vorstellung, daß die dann selber diktieren können, Referendare ausbilden können, Zeugen vernehmen können, mit Polizeibeamten sprechen können, es ist eine Farce, es ist nicht möglich.“

Die Analyse von sichergestellten DNA-Spuren an Tatorten dauere bei Delikten wie Wohnungseinbrüchen rund zwei bis drei Jahre. Auch in Bereichen der Kleinstkriminalität könne in Berlin nicht ordentlich geahndet werden. „Es funktioniert letztlich nicht.“ (ha)

Chef der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, Ralph Knispel: 8.500 nicht vollstreckte Haftbefehle in Berlin Foto: picture alliance
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