BERLIN. Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) hat sich gegen ein allgemeines Parteiverbot der AfD ausgesprochen. „Ein klares Nein“, sagte sie der Welt. „Wir müssen aufpassen, daß wir unsere rechtsstaatlichen Prinzipien nicht aufweichen.“ Diese müßten laut der ehemaligen Bundesverfassungsschutz-Vizepräsidentin für alle gelten „und damit auch für die AfD“.
Im Gespräch mit der Welt habe Badenberg sich gewundert, daß versierte Polit-Profis verlangen, daß der Verfassungsschutz die Partei noch vor der Bundestagswahl vom Verdachtsfall zur erwiesenen rechtsextremistischen Bestrebung hochstuft, berichtet das Blatt. „Es gibt eine Neutralitätspflicht des Staates“, erklärt Badenberg zu diesen Forderungen.
Nicht zuletzt habe das Bundesverfassungsgericht betont, daß Parteien im Wahlkampf die gleichen Chancen haben müssen. Daher sei äußerste Zurückhaltung der Verfassungsschutzämter geboten, meint Badenberg.
Badenberg sei Deutschlands „größte AfD-Jägerin“
Wer ist die Frau? Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bezeichnete sie als die „größte AfD-Jägerin Deutschlands“. Seit 2023 ist sie Justizsenatorin der Hauptstadt. Die 49jährige Christdemokratin, die erst im Mai 2024 der Partei beigetreten war, hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich. Ehrgeizig ergriff die gebürtige Iranerin, die im Alter von zwölf Jahren mit den Eltern nach Deutschland kam, alle Chancen, die ihr das deutsche Bildungssystem bot. Nach Abitur, Jurastudium und Promotion (während der Schwangerschaft) unterschrieb sie 2006 beim Verfassungsschutz, um in Köln bleiben zu können.
Zunächst widmete sie sich – unter Hans-Georg Maaßen – dem islamischen Terrorismus und später dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. 2022 ernannte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Badenberg zur Vizepräsidentin.
Badenberg: AfD-Programm stützt kein Verbotsverfahren
Von einem Verbotsverfahren hält Badenberg auch unabhängig von den Neuwahlen im Februar wenig. „Gegenwärtig sind nur drei von insgesamt 16 AfD-Landesverbänden als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft. Drei von 16, reicht das? Nein, das trägt nicht, unter keinen Umständen.“
Die Verwaltungsjuristin stellt eine Frage vor allen Überlegungen: „Tragen die Überlegungen, die AfD verbieten zu lassen, rechtlich?“ Dafür müsse die AfD nicht bloß „aggressiv kämpferisch“ gegen die Verfassung vorgehen, sondern dies auch aktiv und planvoll tun, entschied das Bundesverfassungsgericht zuvor. „Wer ins Programm der AfD schaut, wird nicht ausreichend viel finden, was ein Verbotsverfahren stützen könnte“, sagte Badenberg der Welt.
„Widerlichere und widerwärtigere Aussagen“ in Parteiunterbau
Doch auch das Verhalten der Mitglieder fließe in ein Parteiverbotsverfahren ein, ergänzt die Justizsenatorin. Dabei würden rote Linien von einem nicht kleinen Teil der Partei überschritten werden, darunter Nazi-Propaganda, Rassismus oder Antisemitismus. „Je weiter man in der Parteihierarchie heruntergeht, auf desto widerlichere und widerwärtigere Aussagen stößt man in der Regel.“
Diese Aussagen müßten jedoch der Partei klar zugewiesen werden können. „Da muß in jedem Einzelfall ein Nachweis erbracht werden. Und das ist extrem schwierig“, erklärt Badenberg. In dem Zusammenhang betonte sie, daß Björn Höcke nicht mit der Bundespartei gleichzusetzen sei. Dieser Fehler werde jedoch häufig gemacht und gehöre zu den großen Irrtümern in der öffentlichen Debatte.
Badenberg will Landesverbände verbieten
Allerdings hätte gegen die AfD dennoch vorgegangen werden können. „Beim AfD-Landesverband Thüringen etwa ist es doch längst unstrittig, daß alle Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen.“ Höcke bediene sich eindeutig bei Nazigebärden. Aussichtsreich sei auch ein Verbotsverfahren gegen die Landesverbände in Sachsen und Sachsen-Anhalt. In diesen Bundesländern rangiert die AfD laut Umfragen bei rund 30 Prozent.
Ein solches Verbotsverfahren auf Landesebene wäre zudem verfahrensrechtliches Neuland. Laut Badenberg wäre es allerdings einen Versuch wert, um radikale Elemente aus der AfD zu entfernen. Auch gegen die Jugendorganisation „Junge Alternative“ hätte ein Verbotsverfahren angestrengt werden sollen, bevor sie unter den Schutz der Mutterpartei gestellt wurde.
Allerdings habe die Politik die Chance nun vertan. Stattdessen seien lediglich Vorschläge unterbreitet worden, die sowieso zum Scheitern verurteilt seien. „Auch das trägt dazu bei, daß die Umfragewerte der AfD steigen.“ (sv)