Als Familienministerin galt Manuela Schwesig (SPD) als eiserne Verfechterin von Ganztagsschulen, Inklusion und „längerem gemeinsamen Lernen“. Schließlich sei Bildung ein Menschenrecht. Auch das dreigliedrige Schulsystem war ihr stets ein Dorn im Auge, denn frühe Selektion beseitige keine Bildungsdefizite, sondern zementiere diese, mahnte die SPD-Politikerin.
Seit Juli ist Schwesig Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hat in dieser Woche das neue Schuljahr begonnen. Wie viele andere Eltern auch mußte sich Schwesig deshalb Gedanken über die Schulwahl für ihr ältestes Kind machen. Der 2007 geborene Sohn besucht ab nun die 5. Klasse. Allerdings nicht an einer staatlichen Schule.
Schwesig zog es vor, ihr Kind auf eine private Bildungseinrichtung zu schicken. Offiziell, weil diese näher am Wohnort der Familie liege, wie sie dem NDR erläuterte. Praktischerweise entfällt damit für ihren Sohn aber auch das „längere gemeinsame Lernen“, denn den zweijährigen gemeinsamen Unterricht nach der 4. Grundschulklasse gibt es nur an den staatlichen Regelschulen.
„Persönliche Entscheidung“
Anders als die Schüler dort, müssen Kinder an Privatschulen, die das Abitur anstreben, nach der 6. Klasse nicht nochmals die Schule wechseln. Das habe aber nichts mit ihrer Schulwahl zu tun gehabt, versicherte Schwesig. Es habe sich um eine persönliche Entscheidung gehandelt, die nicht im Widerspruch zu ihren politischen Zielen stehe.
Schwesigs Fall erinnert an ihre hessische Genossin Andrea Ypsilanti. Diese hatte 2008 als SPD-Spitzenkandidatin angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs das Schulsystem in Hessen zu revolutionieren. Gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse und kein Sitzenbleiben mehr. Ihren Sohn jedoch schickte Ypsilanti auf ein privates Ganztagsgymnasium.
Auch Hannelore Kraft warb 2010 im NRW-Wahlkampf für die Gemeinschaftsschule und warnte davor, im dreigliedrigen Schulsystem würden immer mehr Kinder in der Hauptschule der Perspektivlosigkeit überlassen. Ihren eigenen Sohn schickte die SPD-Politikerin jedoch auch lieber auf ein Gymnasium. Selbstverständlich nicht, weil sie den von ihr gepriesenen Gemeinschaftsschulen irgendwie mißtraute. Für ihren Sohn sei der Schulweg zu dem Gymnasium nur einfach kürzer gewesen.