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Corona-Krise: Zweite Welle: Wie kritisch ist die Situation wirklich?

Corona-Krise: Zweite Welle: Wie kritisch ist die Situation wirklich?

Corona-Krise: Zweite Welle: Wie kritisch ist die Situation wirklich?

Corona-Testzentrum (Symbolbild)
Corona-Testzentrum (Symbolbild)
Testzentrum (Symbolbild): Corona-Pandemie ist nicht mit spanischer Grippe vergleichtbar Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress
Corona-Krise
 

Zweite Welle: Wie kritisch ist die Situation wirklich?

Mit der weltweit steigenden Zahl von positiven Corona-Getesteten wurde in den vergangenen Wochen das Schreckgespenst der „zweiten Welle“ politisch und medial stark forciert. Doch ist die Situation wirklich so kritisch? Eine Lageanalyse von Jörg Schierholz.
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Mit der weltweit steigenden Zahl von positiven Corona-Getesteten wurde in den vergangenen Wochen das Schreckgespenst der „zweiten Welle“ politisch und medial stark forciert. Abwägende und neutrale Stimmen, die angesichts der historisch einmaligen Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft samt dem größten staatlichen Interventionsvolumen aller Zeiten eine Güterabwägung  bezüglich Schaden, Nutzen und den Generationenfolgen fordern, wurden meist ausgeblendet.

In der Rückschau wurden die Kriterien, die den Lockdown und dann die notwendigen Interventionen auslösten, seitens der Politik immer wieder und teils willkürlich verändert. Angst und Unsicherheit, die gerade von den meisten öffentlich-rechtlichen Medien aufgebaut werden, waren und sind schlechte Berater für rationale Entscheidungen auf politischer und ökonomischer Ebene. Umso wichtiger ist es, sich an den Fakten zu orientieren.

Es gibt sie, die Corona-Pandemie und sie ist ernst zu nehmen statt nicht zu leugnen. Diese Pandemie ist aber in keiner Weise mit der Spanischen Grippe oder den Pestepidemien vergleichbar, die ganze Landstriche entvölkerten. In der ersten Corona-Welle waren allerdings viele Gesundheitssysteme nicht ausreichend auf die Herausforderungen vorbereitet, mit regional unzureichenden Krankenhauskapazitäten, mit zum Teil falschen Umgang mit den Erkrankten und daraus resultierenden hohen Todesraten bei älteren Patienten. Zu erwarten war auch, daß die Zahl der positiv getesteten Personen in vielen Ländern im Laufe der Pandemie zunehmen würde; auch in Abhängigkeit davon, wie viel getestet würde.

Die Zahl der Positiv-Getesteten täuscht

Inzwischen haben sich Politik, das Gesundheitswesen und die Wirtschaft auf die Pandemie eingestellt. Auf nationaler und internationaler Ebene wird auf Ausbrüche stringent regional reagiert und mittels internationaler Anstrengungen und zusätzlich verkürzter Genehmigungsverfahren Impfstoffe entwickelt, die möglicherweise schon in diesem Jahr und damit in Rekordzeit zugelassen werden. Die Wahrnehmung der Corona-Krise wird allerdings durch die nicht-angepaßten Genesungszahlen strapaziert, wodurch die Zahl der akut positiv getesteten Personen höher ausfällt, und der inkonsistenten Erfassung der Todesfälle mit oder aufgrund von Covid-19.

Die Qualität der PCR-Tests, also mittels Abstrich, unterschiedlicher Hersteller ist kritisch zu hinterfragen, wenn bei rund einem Prozent positiv Getesteter Falschpositivraten in der gleichen Größenordnung bekannt sind. Die Erhöhung der Testquote von knapp 400.000 auf fast eine Million in Deutschland führt zu einer höheren Zahl positiv getesteter Personen.

In der Kalenderwoche 34 beispielsweise waren 0,88 Prozent oder 8.655 Personen positiv im Vergleich zum März mit einer Positivrate von 9,03 Prozent. Lediglich fünf Prozent der positiv Getesteten muß stationär aufgenommen werden und der Anteil der Todesfälle ist mit 0,1 Prozent auf einem Tiefststand. Von ungefähr 9.000 freigehaltenen Intensivbetten sind in Deutschland momentan 240 mit Covid-19 Erkrankten belegt.

Gates: Meiste Todesfälle kommen nicht durch Krankheit

Auch in den USA als unveränderter Hotspot positiv getesteter Personen ergeben sich Anzeichen einer merklichen Stabilisierung bezüglich der Positiv-Getesteten, hospitalisierter Patienten und einer sinkenden Todesrate. Zudem berichtet Die Welt von sinkenden Todeszahlen in den besonders betroffenen Großstädten in Indien und Brasilien, möglicherweise aufgrund einer Durchseuchung mit mehr als 50 Prozent und daraus folgender Immunisierung  bei der ärmeren Bevölkerung.

Die meisten Todesfälle würden nicht durch die Krankheit selbst verursacht, sondern durch die weitere Belastung der bereits angeschlagenen Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften, resümiert Microsoft-Mitgründer Bill Gates in einem Interview mit der Wochenzeitung The Economist. Und: „Wir alle müssen Milliarden ausgeben, um den Impfstoff zu verbreiten. Und Billionen, um den wirtschaftliche Schaden zu minimieren.“ Die  Lockdowns würden den Zugang zu Impfungen und Medikamenten für andere Krankheiten in den Entwicklungsländern einschränken; die Todesfälle durch Malaria und HIV zunehmen.

Überdies breite sich Hunger aus und die Bildungsraten sinkten. Beim „Kampf gegen die Armut“, könnte das Virus ein Jahrzehnt der Errungenschaften zunichtemachen, belagt Gates. Covid-19 sei glücklicherweise nicht so ansteckend wie einige andere Krankheiten, zum Beispiel die Masern. Daher würden nur rund 30 bis 60 Prozent der Weltbevölkerung einen wirksamen Impfstoff benötigen, um die Pandemie zu stoppen.

Kein neuer flächendeckender Lockdown

Die Weltgesundheitsorganisation WHO erwartet in Europa keine Rückkehr zu flächendeckenden Lockdowns. Ausbrüche könnten mit lokalen Maßnahmen bewältigt werden, sagt der Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge: „Der Tag, an dem wir die Pandemie besiegen werden, ist nicht unbedingt der Impfstoff, sondern dann, wenn wir lernen, damit zu leben. Und das kann morgen sein.“ Er erwarte in den kommenden Monaten keine flächendeckenden Ausgangssperren, um eine zweite Infektionswelle zu vermeiden.

Regierungen von wohlhabenderen Ländern wie den USA, Großbritannien und der EU schließen momentan Vereinbarungen mit Pharmafirmen ab, um sich den Zugang zu Impfstoffen zu sichern. Darüber hinaus könnten möglicherweise einige Länder versuchen, über die Lieferkette der Impfstoffe die Bereitstellung von Grundstoffen zu verzögern um damit Druck auf die Impfstoffhersteller auszuüben. Einige Impfstoffkandidaten verwenden als Hilfsstoff zur Verstärkung der Wirkung beispielsweise eine Substanz, die aus dem Seifenrindenbaum in Chile gewonnen und in Schweden weiterverarbeitet wird.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß die Impfstoffe zur Durchsetzung geopolitischer Interessen genutzt werden könnten. Während der Schweinegrippe-Epidemie im Jahr 2009 kauften einige Industrieländer die Impfstoffe auf, während ärmere Länder in der Warteschlange nach hinten gedrängt wurden. Zum Glück erwies sich die Schweinegrippe als relativ harmlos. Die Impfallianz Gavi, die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), die WHO, mehrere Regierungen sowie die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung haben deshalb eine Initiative für einen weltweit verbesserten Zugang zu Corona-Impfstoffen unter dem Namen Covid-19 Vaccine Global Access (Covax) ins Leben gerufen, an der mehr als 75 reichere Länder sich beteiligen wollen.

Allerdings haben sich bisher die USA, China oder Rußland Covax nicht angeschlossen. Trotz Lippenbekenntnissen zu einer globalen Solidarität wird zunächst die eigene Bevölkerung versorgt.

Testzentrum (Symbolbild): Corona-Pandemie ist nicht mit spanischer Grippe vergleichtbar Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress
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