Die Flottengesetzgebung des Deutschen Reiches gilt als Startschuß des Wettrüstens zwischen dem Kaiserreich und Großbritannien. Doch bei dieser vereinfachten Darstellungen fallen einige Fakten unter den Tisch.
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Die Briten betrieben eine gezielte Einkreisung des Deutschen Reiches. Nicht nur das überraschende Bündnis mit dem alten Erzfeind Frankreich (die Entente Cordiale war für die Franzosen natürlich auch eine hervorragende Basis, um ihre Revanchegelüste in Bezug auf Elsass-Lothringen endlich umsetzen zu können) steht dafür, sondern besonders auch jenes mit dem autokratischen Zarenreich Russland. Russland lag nach dem verlorenen Krieg gegen Japan darnieder, der Zar verlor mehr und mehr an Autorität. Kredite und Waffen aus England waren hochwillkommen, um das marode Regime zu stützen. Ziel war es, das aufstrebende und in vielen Belangen überlegene Kaiserreich in den Krieg an zwei Fronten zu zwingen und niederzuhalten. Nun musste nur noch gezielt die Lunte an das Pulverfass Balkan gelegt werden. So geschah es dann auch.
Es ist eine Illusion zu glauben, ein bloßer Verzicht auf die Flottenrüstung hätte das kaiserliche Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg bewahren können.
Es war nicht die Flotte allein, sondern allgemein der demografische, industrielle, technologische, wirtschaftliche, kulturell-zivilisatorische Aufstieg des damaligen Deutschlands, der den „Platzhirschen“ unter den europäischen Machtstaaten Abstiegsängste einjagte und sie gegen den „Emporkömmling“ in der Mitte Europas aufbrachte.
Dem Königreich Polen hatte es im 18. Jahrhundert auch nichts genutzt, zwar wohlhabend, aber wehrlos zu sein; es wurde trotzdem zwischen den Nachbarn Rußland, Österreich und Preußen aufgeteilt.
Die geopolitische Konstellation war eben damals so: Die USA noch nicht an Außenpolitik interessiert, China in der tiefsten Krise seiner Geschichte, und Rußland noch nicht so mächtig wie es erst später durch die Ausschaltung Deutschlands wurde.
Die Europäer waren sozusagen unter sich.
Da hatte das Bündnis der peripheren Mächte (reich und mächtig, aber bereits auf dem Zenit) gegen die Mittelmächte (noch nicht so etabliert, aber aufstrebend) eine gewisse Logik:
ff.
… Im Zentrum stand sicherlich das russisch-französische Bündnis mit dem
– russischen Streben nach Expansion auf den Balkan und ans Mittelmeer (Annexion der West-Ukraine, die damals noch zur Donaumonarchie gehörte, aber darüber hinaus auch Zugang zum Mittelmeer und Erlangung Kontrolle über die Meerengen des Bosporus)
– und dem französischen Interesse am Elsaß und den deutschsprachigen Teilen Lothringens.
Aber neben Frankreich war eben auch Großbritannien ganz allgemein daran interessiert, Deutschlands Kräfte nachhaltig zu „stutzen“.
Deswegen hat das heutige Deutschland ja seine Lektion aus der Geschichte und der geopolitischen Verwundbarkeit verinnerlicht, daß es besser dauerhaft und freiwillig unterhalb seiner Möglichkeiten bleiben und größeren Aufsichtsmächten „zu Diensten“ sein sollte, anstatt eigenständige Interessenpolitik zu betreiben und auf diese Weise wieder in Isolation zu geraten.
Geht nicht heute von der Englisch- Amerikanischen Militär- und Politik eine ähnliche Gefahr aus. Die Imperien der Vergangenheit vereinigten sich, als Hegemon über die restliche Welt.
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Kaiser Wilhelm II. (l.) spricht mit Konteradmiral Alfred Tirpitz (m.), der die Marine aufrüstete Foto: picture-alliance / akg-images | akg-images