Vor siebzig Jahren schlug Stalin im alliierten Notenwechsel Konzepte für eine deutsche Wiedervereinigung vor. Der Vorstoß endete schließlich in gegenseitigen Beschuldigungen. War es nur eine sowjetische Propagandakation oder eine verpaßte Chance?
IHR DIGITALER ZUGANG.
Einfach registrieren undweiterlesen.
Alle Artikel auf JF online frei
Die JF schon jeden Mittwoch als E-Paper und via App
Deutschland als „Pufferstaat“ zwischen Ost und West wäre ein äußerst prekärer Zustand gewesen. Ähnlich der Position der Ukraine aktuell.
Von einem „Pufferstaat“ ist der Weg nicht weit zum „Schlachtfeld Europas“. Das ist Deutschland schon oft genug in seiner Geschichte gewesen: Dreißigjähriger Krieg, Pfälzischer Erbfolgekrieg, Siebenjähriger Krieg, Napoleonische Kriege und Kalter Krieg, der zum Glück(!) kalt geblieben war.
Bei allem, was man an der Westlichen Zivilisation momentan aussetzen kann, so ist die Westbindung Deutschlands dennoch der „natürliche Zustand“.
Denn Deutschland IST Teil der Westlichen Welt – genau so wie Dänemark, Italien, Schweden, Finnland, Tschechien, Polen, die Schweiz, Kroatien oder Ungarn.
Tief wirkt die Prägung durch das abendländische Christentum (römisch-katholisch mit dem Protestantismus als dessen jüngerem Ableger), im Unterschied zum „morgenländischen“, ostkirchlich-orthodoxen Christentum.
Der Sonderwegs-Irrglaube entstand letztlich aus dem deutschen Trauma, daß die anderen westlichen Staaten England, Frankreich und USA zusammen mit dem Zarenreich Krieg gegen Mitteleuropa (Österreich-Ungarn, Deutschland und Osmanisches Reich) führten.
„Mitglied in einem defensiven europäischen Bündnis (der EVG) “
Das ist auch noch so’n Ding …
Das Konzept EVG wurde, kaum aufgekommen, schon wieder begraben. Mausetot, bis heute.
Warum?
Weil die Europäer ganz froh darüber waren, daß die USA in ihrem Drang zur Weltherrschaft bereit waren, das viele Geld fürs Militär auszugeben. Entsprechend konnte man selber sparen und das Geld für die angenehmen Dinge des Lebens ausgeben.
Motto: „Die m ü s s e n uns verteidigen, die k ö n n e n uns garnicht dem Russen überlassen“.
Eine selbständige und „neutrale“ EVG war in der 1950ern vermutlich nicht wirklich realistisch.
Aber nach 1989, DA wäre eine Situation gewesen, eine neutrale EVG zwischen USA und der neuen Struktur „Russische Föderation“ zu gründen.
Die Sowjetunion war untergegangen und die USA vom Kalten Krieg mental erschöpft.
DA wäre die Gelegenheit gewesen für die europäischen Staaten, sich zu emanzipieren.
Freie europäische Staaten, frei von jedweder Hegemonie.
Und für die Imperien des Kalten Krieges wäre echte Koexistenz möglich geworden.
Stattdessen wurde der Rückzug der Russen hinter den Don dazu mißbraucht, „hinterherzurücken“ und den Kalten Krieg am Leben zu halten.
Der Stalin-Note traue ich nicht. Als neutrales Deutschland wären wir dann leichte Beute seines Expansionsdrangs nach Westen geworden. Stalin … Putin … wer denen ein Wort glaubt, der hat doch schon verloren, wie sich gerade wieder zeigt.
Dann doch wohl lieber George W.Bush, Obama und Joe Biden?
Ich denke, man sollte nach beiden Seiten schauen und jede „Nachricht“ erst auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und dann erst glauben. Sie wissen doch, das eerste Opfer in einen Krieg ist stets die Wahrheit.
Ein neutraler Staat als Pufferzone …. mhhh, an was erinnert mich das bloss? Und schon damals haben die gleichen Mächte wie heute etwas dagegen gehabt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ganz herzlichen Dank an Herrn Schmidt für diesen Artikel, der mein politisches Weltbild ins Wanken bringt aber mir die Augen öffnet.
Möchte noch eine Bemerkung hinzufügen. Es muß wohl 1964 oder kurz danach gewesen sein, als Adenauer von einem Besuch bei de Gaulle zurück kam und sagte, daß Rußland gar keinen Krieg wolle, wie de Gaulle ihm gesagt habe. Wir staunten etwas und führten es auf das hohe Alter von Adenauer zurück.
Das ist eigentlich ein starkes Stück, daß damals drei, vier Machtstaaten über das Selbstbestimmungsrecht ganzer Völker hinweg entschieden, insbesondere das der Deutschen und Österreicher, aber auch das der Polen, Tschechen, Balten oder Kroaten.
Man stelle sich mal vor:
Die USA, die Sowjetunion, Deutschland und Frankreich hätten gemeinsam beschlossen, daß sie die „Weltgemeinschaft“ seien, und wären übereingekommen, daß England seit jeher ein ewiger Störenfried gewesen sei, der – für einen greifbar nahen ewigen Weltfrieden – nachhaltig ausgeschaltet werden müsse.
Die vier hätten sich zusammengesetzt und beraten, wie „man“ mit den Engländern umgehen soll.
Nordirland wäre der Republik Irland zugesprochen worden, die dort lebenden pro-britischen, protestantischen Einwohner wären enteignet und vertrieben worden.
Schottland und Wales wären von der Weltgemeinschaft ein Anschlußverbot an England erteilt worden.
Das verbleibende England wäre hernach in vier Zonen aufgeteilt worden: eine sowjetische Besatzungszone, eine amerikanische, eine deutsche und eine französische.
Und eine jede Besatzungsmacht hätte sich an einer Umerziehung der Briten geübt.
Wie würden die Engländer das finden?
1. Wehe den Besiegten. 2. Zu schwer wiegen die NS-Verbrechen mit der systematischen Vernichtung der Juden (die gottlob nicht vollendet werden konnte), als daß hier ein – selbst nur hypothetischer – Vergleich mit England angebracht wäre. 3. Mir ist kein vergleichbarer Angriffskrieg zu dem Deutschlands bekannt, den England je in Europa oder irgendwo geführt hätte. Deutschland hat im 2. WK ganz Europa mit Krieg überzogen.
Ich meine, die Engländer müssen sich diese Frage, wie sie das finden würden, schlichtweg nicht stellen.
Ja, das ist richtig.
Nazideutschland hat wirklich alles dafür getan, daß die Deutschen nach 1945 keine Ansprüche anmelden konnten. Es hat alle zivilisatorischen Standards mit Füßen getreten und anderen Völkern das Existenzrecht abgesprochen.
Allerdings – wenn man auf einer moralisch-rechtlichen Ebene argumentiert, dann muß man das auch konsistent tun. Ansonsten gilt „wehe den Besiegten“ als archaisches Faustrecht des Stärkeren. Wenn es ein Völkerrecht gibt, dann muß es auch für die Deutschen gelten.
Deswegen ist das Konzept einer „Weltgemeinschaft“ auch so problematisch.
In der Praxis setzt sich diese aus zwei Komponenten zusammen:
a) zwei, drei, vier, fünf Machtstaaten, die sich aufgrund irgendwelcher Interessens-Synergien zu einem Bündnis zusammengefunden haben, und
b) die große Masse an unbeteiligten, am jeweiligen Konflikt gar nicht beteiligten Staaten, die von den besagten Machtstaaten für ihre Sache vereinnahmt werden.
Deutlicher wird das vielleicht am Beispiel des Ersten Weltkriegs.
Als das Königreich Italien wenige Jahre vorher, 1911, ins Osmanische Reich einfiel, um Libyen zu erobern, führte das nicht zu einem Krieg der Weltgemeinschaft gegen Italien.
P.S.
So ganz gewaltfrei hatten die Engländer ihr weltumspannendes Empire auch nicht erworben…
„Wie würden die Engländer das finden?“
J e d e s Volk -Anywhere-Weltbürger müssen hier außer Betracht bleiben- würde das unter allen Umständen bekämpfen.
Die Geschichte lehrt jedoch, daß es darauf nicht ankommt, sondern die M a c h t zu haben, zu den „Machern“ zu gehören. Und nicht zum Rest, nämlich denjenigen, mit denen man „es“ machen kann.
Um das Jahr 1945 herum schien es vier Macher zu geben. Dann zeigte sich aber schnell, daß zwei der vier ihre Weltgeltung, m.a.W. ihre Kolonien, verloren hatten, und die USA und die UdSSR sich einen Wettlauf um die Konkursmassen lieferten (Domino-Theorie).
Es gab also nur noch z w e i Akteure in dem Kampf um die Herrschaft über die Ganze Welt (uraltes Prinzip: ALLES Erdreich ist Oesterreich untertan, u.a.m.), welcher im August 1914 von allen Aspiranten auf den Endsieg einträchtig begonnen wurde.
Zur Zeit der Stalin-Note war die Frage des Atomaren Erstschlags von überragender Bedeutung. Die eigentliche Frage war aber die Zweitschlag-Kapazität des jeweiligen Gegners. Und die Option eines konventionellen Blitzkriegs.
Unter diesen Umständen war irgendeine Art von entmilitarisierter Zone für b e i d e Kontrahenten keine ernsthafte Option.
Es ist spannend, wie kommende Historiker in größerer zeitlicher Entfernung die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beurteilen werden.
Bis ins 19. Jahrhundert waren Kriege, die natürlich immer gewalttätig blieben, Todesopfer forderten und menschliches Leid verursachten, in Europa trotz allem ziemlich gut „gebändigt“ worden. Den Zenit der zivilisatorischen Errungenschaften bildeten die „Kabinettskriege“ der Barockzeit.
Aber als das Christentum als verbindendes Fundament Schwächen zeigte, rückten säkulare Ideologien an dessen Stelle. Fortan wurden die Kriege wieder erbitterter und haßerfüllter geführt, als Volkskriege und mit der Intensität von Religionskriegen.
Nachfolger des Christentums waren der westliche Individualismus, der „östliche“ Kommunismus und der „mittige“ Faschismus. Man erinnert sich an George Orwells fiktive drei verfeindeten Machtblöcke Ozeanien, Eurasien und Ostasien aus „1984“.
Nun, der Faschismus ist als die inhumanste der drei Ideologien zu Recht zugrunde gegangen.
Tragisch ist, daß diese Ideologien hernach jeweils „homogen“ mit den Völkern identifiziert wurden, bei denen sie an die Macht gerieten, obwohl die Risse mitten durch alle Gesellschaften gingen.
Dieser Beitrag ist älter als 2 Tage, die Kommentarfunktion wurde automatisch geschlossen.