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Ungarnaufstand 1956: „Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer“

Ungarnaufstand 1956: „Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer“

Ungarnaufstand 1956: „Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer“

Der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, Gerhard Papke (links) und Zeitzeuge László Fodor im Berliner Kulturforum Collegium Hungaricum: Beim Ungarnaufstand 1956 war Fodor 17 Jahre alt
Der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, Gerhard Papke (links) und Zeitzeuge László Fodor im Berliner Kulturforum Collegium Hungaricum: Beim Ungarnaufstand 1956 war Fodor 17 Jahre alt
Der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, Gerhard Papke (links) und Zeitzeuge László Fodor im Berliner Kulturforum Collegium Hungaricum: Beim Ungarnaufstand 1956 war Fodor 17 Jahre alt Foto: JF
Ungarnaufstand 1956
 

„Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer“

Während andere noch die Schulbank drücken, kämpft László Fodor 1956 für die Freiheit seines Landes. Mit der Waffe in der Hand beteiligt er sich am Aufstand der Ungarn gegen die sowjetische Besatzung. Bei einer Veranstaltung der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft schilderte der heute 82jährige, was es heißt, aufzubegehren.
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Wenn László Fodor von seiner Jugend erzählt, läßt das einen schmunzeln und im nächsten Atemzug stocken. Während andere noch die Schulbank drückten, kämpfte er als junger Mann für die Freiheit seines Landes. Gerade einmal 17 Jahre alt, als die sowjetischen Panzer im Oktober 1956 in Ungarn einrückten, um dem beginnenden Aufstand Einhalt zu gebieten.

Dieser erste, erfolgsversprechende revolutionäre Funke im Herzen Europas sollte später auf den gesamten Ostblock übergreifen und den Weg zum Ende der deutschen Teilung ebnen. Bei einer Veranstaltung der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft im Berliner Kulturforum Collegium Hungaricum schilderte Fodor anläßlich des 65. Jahrestags des Ungarnaufstands nun, was es heißt, aufzubegehren.

Wie leicht es war, anzuecken, merkte der aus einer offen konservativen Familie stammende Katholik schon früh. Als ihn sein Vater, ein früherer Berufsoffizier, auf dem heimischen Gymnasium in Sopron anmelden wollte, entgegnete der Direktor diesem nur: „Was für eine Unverschämtheit. Sie sind der größte Feind des ungarischen Volkes.“

Als er durch seinen Onkel, den stellvertretenden Schulleiter eines Technischen Gymnasiums in Veszprém, schließlich Zugang zu einer höheren Bildungsanstalt bekam, erklärte ihm der dortige Direktor sogleich, was er in seinem sowjetisch besetzten Heimatland zu erwarten hatte. „Wir haben hier das Ziel, dich zu einem treuen und überzeugten Sozialisten zu erziehen.“ Eine bessere Note als ein „befriedigend“ dürfe er bei seinem Elternhaus nicht erwarten.

„Wir Kinder haben die Russen gehaßt“, erzählt Fodor mit Bitterkeit in der Stimme. Für ihn habe der Ungarnaufstand schon viel früher begonnen: im März 1953, mit dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Als er davon erfahren habe, sei er die Treppe zum Klassenzimmer hochgerannt und habe freudig gerufen: „Stalin ist tot, es lebe die Freiheit!“ Doch es sollten noch drei Jahre vergehen, bis sich der bewaffnete Widerstand regte.

Kugel verfehlte Fodor nur knapp

Die geladene Stimmung habe sich schon im Sommer abgezeichnet. „Etwas hatte sich verändert, es lag was in der Luft“, erinnert er sich. Was sich über Jahre hinweg an Wut, Frustration und Kritik angestaut hatte, entlud sich schließlich mit voller Wucht am 23. Oktober. „Plötzlich hieß es ‘Russen raus’ und ‘Ungarn den Ungarn’“, schildert er lebhaft. Das habe ihn erschrocken – doch die Faszination überwog. Und schließlich hörte er den erlösenden Satz, auf den so viele seiner Landsleute so lange gewartet hatten: „In Budapest ist die Revolution ausgebrochen.“ Da wußte er: „Jetzt geht es los.“

Sofort erklärte sich der junge Mann bereit, den Veszprémer Revolutionsrat zu unterstützen, wohl wissend, daß die Stadt eingekesselt von wichtigen Stützpunkten der Sowjets war. So machte er sich mit einem Freund auf den Weg, um mit einem Lkw Lebensmittel in die mittlerweile hermetisch abgeriegelte Hauptstadt zu bringen. Wie ernst die Situation bereits war, wurde ihm erst klar, als der Fahrer ihn anwies, für alle Fälle den Kopf unten zu halten, falls auf den Wagen geschossen werde. Beim Aussteigen sah er, daß ihn eine Kugel tatsächlich nur knapp verfehlt hatte. „Man denkt nicht nach, man macht einfach“, erzählt Fodor rückblickend.

Nach Budapest hinein zu gelangen, war die eine Sache, es wieder hinaus zu schaffen, die andere. Ehe er sich versah, legte ihm der Hausmeister, der die Lebensmittel vom Laster abgeladen hatte, mit vielsagendem Blick eine Waffe in die Hand: ein Gewehr aus dem Zweiten Weltkrieg mit 60 Schuß. „Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer“, dachte sich Fodor.

Zu Fuß schlug er sich von Buda nach Pest durch, damals noch zwei getrennte Städte. Mitten durch den noch immer andauernden Aufstand. Zu seinen Füßen lagen die Toten, die bereits im Kampf ihr Leben gelassen hatten.

Fodor sah Mitschüler sterben

Zurück in Veszprém schüttelte ein Bekannter angesichts der vielen Toten traurig den Kopf und fragte nach dem SInn des Aufstands. Das habe ihn schrecklich beleidigt, sagt Fodor, der ihm sogleich entgegnete: „Natürlich muß Blut fließen, aber wir werden gewinnen!“ Doch da unterschätzte er die Übermacht des Gegners, der den Aufstand mit aller Gewalt niederwälzte.

Am 4. November trieben die Sowjets auch Fodor und seine Mitschüler auf der Straße zusammen. Auf den Befehl, die Hände in den Nacken zu legen, folgte das Geräusch ladender Gewehre. „Hoffentlich können sie zielen“, dachte Fodor, der hoffte, nicht lange leiden zu müssen. Plötzlich drehte sich ein Mitschüler um, doch eher er etwas entgegnen konnte, knallte ein Schuß und der Junge fiel tot zu Boden. Da tönte es aus der Menge: „Seid ihr verrückt geworden? Das sind doch noch Kinder!“, worauf die Soldaten von ihnen abließen.

Auf die Frage, ob er während des Aufstandes Angst hatte, schüttelt der heute 82jährige, der heute als Arzt im Ruhestand in Berlin lebt, den Kopf. „Es war ein Glücksgefühl, etwas für meine Heimat zu tun. Ich spürte, das, was wir tun, ist groß.“ Jedoch wußte er damals auch, daß er nach dem niedergeschlagenen Aufstand nicht in Ungarn bleiben konnte. Er war bereits als Widerständler aktenkundig. So verließ er sein Land nach einem schmerzhaften Abschied von seiner Familie kurz darauf an einem regnerischen, nebligen Novembertag über die Grenze zu Österreich.

 „Integration setzt Bereitschaft voraus“

Sein Weg führte ihn schließlich nach Deutschland, wo er sein Abitur machte, Medizin studierte und später mehrere Chefarztposten bekleidete. Auch wenn es mühsam war, sich in der Bundesrepublik zurechtzufinden und die deutsche Sprache zu lernen – es ist Fodor geglückt. „Integration setzt Bereitschaft voraus. Man muß sich mit dem Land identifizieren und vorankommen wollen“, betont er.

Für den Vorsitzenden der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, Gerhard Papke, steht diese Geschichte beispielhaft für den großen Freiheitsdrang der Ungarn, der sich auch heute wieder zeige. Der Aufstand 1956 habe weit über die Landesgrenzen hinaus Mut gemacht. Auch deshalb blicke er als Deutscher mit Dank auf dieses Kulturvolk aus der Mitte Europas.

Der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, Gerhard Papke (links) und Zeitzeuge László Fodor im Berliner Kulturforum Collegium Hungaricum: Beim Ungarnaufstand 1956 war Fodor 17 Jahre alt Foto: JF
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