In der Ausgabe JF 18/04 besprach der Freiburger Militärhistoriker Horst Boog das Werk von Frederick Taylor „Dresden. Tuesday, 13 February 1945“. Auf dessen Kritik antwortet nun der britische Historiker. Ich habe Horst Boogs Rezension über mein Buch „Dresden. Tuesday, 13 February 1945“ mit regem Interesse und dem einem Historiker von solch hohem Rang gebührenden Respekt gelesen. Ich kenne natürlich Dr. Boogs Werke, und daher überrascht es mich nicht, daß er in seinem Artikel so argumentiert, wie er das tut. In der Meinung, daß die Zerstörung Dresdens nicht nur eine deutsche, sondern auch eine europäische Tragödie sei (und Großbritannien ist auch Europa!) sind wir zweifellos einig. Nur über die Ursprünge der Katastrophe – ich halte das, was geschehen ist, kurz gesagt, für höchst bedauerlich, aber leider nicht, wie man so oft behauptet, „grundlos“ – befinden wir uns nicht in Übereinstimmung. Wir müssen vielleicht, wie die Engländer sagen, „agree to disagree“. Wenn ich in meinem Buch die Urteile des französischen Militärattachés in Warschau und des Völkerrechtsexperten Spaight in London nicht zitierte, war das vielleicht mein Fehler. Ich habe aber ganz klar gemacht, daß ich auch Dr. Boogs Urteil teile, die deutschen Angriffe 1940/41 auf britische Städte, insbesondere der auf Coventry, seien berechtigt gewesen. Im Grunde aber finde ich die ganze Auseinandersetzung darüber, wer die ersten Bomben auf einen als rein ziviles Ziel einzustufenden Ort geworfen hat, zumindest für meine Zwecke ziemlich steril – der Angriff auf Dresden fand ja mehr als vier Jahre später unter radikal veränderten Umständen statt. Wahr ist aber, daß bis zum Schicksalsmonat Februar 1942 (als die „Area Bombing Directive“ in Kraft trat), also zwei Jahre nach dem Kriegsausbruch, die britische „Luftoffensive“ gegen Deutschland das Leben von mehr RAF-Leuten gekostet hatte als von deutschen Zivilisten! Im Gegensatz dazu waren bis dahin schon Zehntausende von Zivilisten in Warschau, Rotterdam, London, Plymouth, Coventry, Belgrad, Minsk, Moskau, Leningrad usw. zu Opfern der deutschen Luftwaffe geworden. Mag wohl sein, daß diese Angriffe ausnahmslos militärisch völlig berechtigt waren, aber immerhin. Ich will nur eines klarmachen, und zwar meiner Meinung nach etwas ziemlich Wichtiges: Es war und bleibt keineswegs meine Absicht, das Buch „Der Brand“ von Jörg Friedrich zu widerlegen. Ich habe im Jahre 2000 angefangen, für mein Buch zu forschen, das heißt mehr als zwei Jahre, ehe Friedrichs Werk gegen Ende 2002 in Deutschland erschien. Vorher kannte ich Friedrich nur aus seinem Werke „Das Gesetz des Krieges“, das einen ziemlich guten Eindruck machte. Als ich dann den „Brand“ las, schrieb ich schon meine eigene Arbeit über Dresden zu Ende. Deswegen findet der Leser bei mir nur relativ wenige Hinweise auf das Buch, das ich wie Herr Dr. Boog als literarisch gekonntes, interessantes, sogar nötiges, aber leider auch oft übertriebenes Werk betrachte. Ob mein Buch wirklich den Angriff der Alliierten auf Dresden „rechtfertigt“ oder sogar – wie Dr. Boog schreibt – ihn von der „über ein halbes Jahrhundert hinweg empfundenen Scham (…) befreien“ soll, möchte ich auf Ehre und Gewissen bestreiten. Daß ich versuche, den Angriff verständlich zu machen, gebe ich aber gern zu. Ich hatte wenige Vorurteile, ehe ich mit der Arbeit anfing. So naiv wie es erscheinen mag, ich schrieb in Sachen Dresden, was ich fand: eine europäische Tragödie – mit Ursachen und Folgen. Kulturvölker (auch wir Engländer) im moralischen Tiefstand. Darüber wird noch argumentiert – und das ist gut so. Hauptsache, wir führen in Europa nie wieder gegeneinander Krieg. Wie das Schicksal Dresdens mit entsetzlicher Klarheit zeigt, können wir uns das einfach nicht mehr leisten. Vor kurzem habe ich einen Brief von einem ehemaligen RAF-Offizier erhalten, der mein Buch gerade gelesen hatte. Der Herr war vor sechzig Jahren Pilot und hatte am Einsatz gegen Dresden als Kommandeur eines Lancaster-Geschwaders teilgenommen. Er lobte meine „faire Behandlung des Themas“, dann schrieb er weiter : „Bis ich Ihr Buch las, hatte ich folgende Ansichten zur Frage Dresden: Die Deutschen haben es angefangen – Warschau, Coventry usw. Die Beschädigung des Eisenbahnnetzes war eine wesentliche Hilfe für unsere Kriegsanstrengungen. Die Zerstörung der leichten Industrie in Dresden war schon lange fällig. (…)Nachdem ich Ihr Buch gelesen habe, bedauere ich es jetzt, daß wir Dresden bombardiert haben, und ich lobe die Entscheidungen anderer, Heidelberg nicht zu bombardieren und Paris nicht in die Luft zu sprengen (er weist auf meine Bemerkungen im Nachwort ‚Commemoration‘ zu meinem Buch hin – FT). Jene Männer hatten recht und wir hatten unrecht …“ Ich wollte immer vor allen Dingen, daß meine Leser zu einer eigenen, soweit wie möglich vollinformierten Meinung über Dresden kommen mögen. So sehr es einige Kritiker, auch Dr. Boog, überraschen mag, bin und bleibe ich mit diesen Worten aus der Feder eines, der an der Zerstörung Dresdens teilnahm, ganz zufrieden, weil sie zeigen, daß ich vielleicht doch einigen Erfolg bei dieser Aufgabe hatte. Foto von Frederick Taylor