Da diese Kolumne ohnehin eher von den neuesten Perversionen einschließlich der Stammzellforschung handelt als von neuen Technologien, soll diesmal von einer leider sehr alten Perversion die Rede sein, dem Kindesmißbrauch. Dabei geht es nicht nur um die Täter, die nach außen hin normale Bürger und sogar hochqualifizierte Arbeitskräfte sind wie der 44jährige Diplom-Mathematiker Ilja Sch. aus Berlin. Die Frage, „warum so einer so was macht“, beschäftigt uns nicht vorrangig, denn da würde man einmal wieder auf den Streit zwischen Psychologen und Genetikern kommen, in dem keiner von beiden seine Position bisher beweisen kann. Nein, es sind die Opfer, die wir im Auge haben, und die sind garantiert weder erblich noch erziehungsmäßig gestört, im Gegenteil haben sie die Lektion, die unsere Gesellschaft ihnen gibt, besonders gut inhaliert, nämlich soviel Geld wie möglich mit soviel Anstrengung wie gerade nötig zu verdienen, und dazu ist die Prostitution ein wunderbar geeignetes Mittel. Bisher machte man zwischen 15jährigen Heroinsüchtigen, die vor aller Augen auf den Strich gehen, und unschuldigen Kindern, die von bösen Männern mißbraucht werden, einen klaren Trennungsstrich. Den gibt es aber nicht. Nicht alle, aber doch zahlreiche sexuelle Kontakte zwischen 10jährigen Jungen und Mädchen und deren „Liebhabern“ kommen dadurch zustande, daß der Erwachsene dem Kind Geld oder etwas Gleichwertiges anbietet und das Opfer diejenigen Verhaltensweisen an den Tag legt, die es in vielen Filmen gesehen hat. „Opfer“ darf man deshalb sagen, weil diese Kinder tatsächlich Opfer sind – aber weniger das Opfer von Männern wie Ilja Sch., der sich keiner Schuld bewußt ist, weil die Jungen freiwillig „mitgespielt“ haben zum Beispiel für einen kostenlosen Joint oder auch nur, um vor dem Erwachsenen als „cool“ und „sexy“ zu erscheinen. Dieser angebliche Mißbrauch ist nicht immer, aber oft genug bloß die Ausweitung einer Praxis, die überall vorgeführt und gefeiert wird. Der Mathematiker ist sich der Berechtigung seines Tuns so sicher, daß er sich sogar in einer Gruppe namens „Krumme 13“ engagierte, die für das „Recht der Kinder auf ihre Sexualität“ eintritt. Warum nicht? Wenn alles sexuell aktiv sein soll, um überhaupt mitzuzählen, auch Alte, Schwerbehinderte, Strafgefangene, warum nicht auch die Kinder? Wenn die Sexualität von Frauen mit siebzig nicht aufhört, warum sollte sie mit sieben nicht anfangen? Der Hinweis auf die Naturwidrigkeit solcher Vorstellungen wird als „primitiver Biologismus“ zurückgewiesen, und es bleibt eben nur das Argument der Unfreiwilligkeit – woher aber sollen Kinder die Kraft zum Neinsagen nehmen, wenn ihnen außer Sex und Geld keine Werte vermittelt wurden? „Ich schäme mich nicht“, erklärt der Angeklagte vor dem Moabiter Kriminalgericht in Berlin. Er hat recht, schämen sollten wir uns selber.
- Wirtschaft