Vor seiner Wahl zum Kanzler hatte Friedrich Merz einen drastischen Personalabbau angekündigt: „Wir müssen das Bürokratie-Monster in den Griff bekommen.“ Auch im Koalitionsvertrag nimmt das Thema großen Raum ein. Von Vereinfachung, Aufgabenbündelung und Konsolidierung in den Ministerien ist dort die Rede. Passiert ist aber erst einmal das Gegenteil: Die Zahl der Führungsämter ist mit 17 Ministern und 37 Parlamentarischen Staatssekretären so hoch wie nie zuvor.
Zum Vergleich: Gerhard Schröders Kabinett war 1998 noch mit insgesamt 38 Ministern und Staatssekretären ausgekommen. Seitdem ist das Personal der Bundesregierungen stetig gestiegen, und zwar auf allen Ebenen. Mittlerweile hat die Bundesverwaltung ein Rekordniveau von mehr als einer halben Million Mitarbeitern erreicht, die sich auf 16 Ministerien und mehr als 900 Behörden verteilt. Die Personalausgaben des Bundes verdoppelten sich in den vergangenen zehn Jahren und stiegen damit deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung.
Die Effizienz der Behördenarbeit hat dadurch jedoch nicht zugenommen: „Je größer die Bundesverwaltung, desto weniger leistungsfähig wird sie.“ Diese Feststellung stammt nicht etwa von externen Kritikern, sondern kommt aus der Bundesregierung selbst. Nachzulesen ist sie in einem aktuellen Papier der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), erstellt vom „Gesprächskreis Staatsmodernisierung“. Das sind etwa 30 leitende Ministerialbeamte sowie Fachpolitiker aus Bund und Ländern, die sich Mitte 2023 zusammengefunden haben. Ihr Ziel: Endlich eine grundlegende Reform der Bundesverwaltung anzustoßen, die deren jahrhundertealte Strukturen und Vorgehensweisen auf eine modernere Grundlage stellt. Denn ein Fünftel der Bundesbediensteten, so der Alarmruf im KAS-Papier, wird allein dafür benötigt, die Verwaltung selbst zu verwalten. Dazu gehört das Personalmanagement, aber auch die Bereitstellung von IT-Leistungen und anderen zentralen Diensten.
Bürokratie führt zu Ineffizienzen in Bundesverwaltung
Hier kocht fast jede Behörde ihr eigenes Süppchen, was zu Doppel- und Dreifacharbeit sowie zahllosen Inkompatibilitäten führt. Im Papier wird darum gefordert, diese Leistungen zu vereinheitlichen und möglichst zu zentralisieren. Darüber hinaus müsse die Zahl der Bundesbehörden drastisch gesenkt werden, indem man kleinere Anstalten in größere integriert. Die Autoren plädieren für klarere Kompetenzzuteilungen. So sollten ressortübergreifende Entscheidungen nicht mehr im Einvernehmen getroffen werden. Das würde bedeuten, daß die jeweils anderen Behörden bzw. nicht federführende Ministerien zwar Bedenken vortragen können, aber kein Vetorecht mehr haben.
Einige von diesen Forderungen sind auch Teil der „föderalen Modernisierungsagenda“, welche Bund und Länder vorige Woche verabschiedet haben. Aber „Papier ist geduldig“, wie es in der KAS-Analyse zu Recht heißt. Bisherige Erfahrungen geben Anlaß zur Skepsis. So ist die Zahl der Staatsdiener nach einem privatisierungsbedingten Rückgang seit 2008 wieder deutlich gestiegen. Sie liegt derzeit bei 5,4 Millionen, was zwölf Prozent aller Erwerbstätigen entspricht. Am stärksten war der Zuwachs in den vergangenen zehn Jahren mit 24 Prozent bei den Kommunen, gefolgt von den Ländern mit einem Plus von zwölf Prozent und dem Bund (plus vier Prozent).
Der Stellenaufbau läßt sich aber nur teilweise mit den gewachsenen Anforderungen in den Bereichen Bildung oder Sicherheit erklären. Vielmehr gibt es offensichtlich beträchtliche Ineffizienzen auch in den Ländern und Kommunen, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Trends 3/25) in Studie feststellt. Die IW-Forscher haben mit einer ökonometrischen Analyse die Effizienz der deutschen Städte, Gemeinden und Landkreise untersucht. Dabei stellte sich heraus, „daß einige Kommunen trotz schwieriger Rahmenbedingungen über Jahre hinweg mit moderatem Stellenzuwachs ausgekommen sind, während andere unter ähnlichen Voraussetzungen erheblich aufgestockt haben.
Enormes Einsparpotential bei Ländern und Kommunen
Ähnliche Unterschiede gibt es auch auf Länderebene. So war der Zuwachs der Staatsbediensteten pro Einwohner zwischen 2015 und 2022 in Schleswig-Holstein mit 11,5 Prozent nicht nur der höchste aller Flächenländer. Er überstieg der Analyse zufolge auch deutlich das Maß, welches durch einen gestiegenen Aufgabenumfang hätte erklärt werden können. Umgekehrt kamen zum Beispiel Thüringen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Bayern mit weniger Personal aus als eigentlich zu erwarten.
Am besten gewirtschaftet wurde offenbar in Sachsen-Anhalt. Hier kamen Land und Kommunen mit zwei Prozent weniger Personal aus, als den Anforderungen nach erwartbar gewesen wäre. Offensichtlich gibt es also erhebliche Effizienzreserven, die man noch heben könnte. Insgesamt beziffert das IW das Einsparpotential bei Ländern und Kommunen auf 60.000 Stellen bzw. 3,4 Milliarden Euro Personalkosten pro Jahr.
Besonders stark sind mit einem Plus von 25 Prozent die Stellen im Bereich politische Führung und Verwaltung gestiegen. Ähnlich wie beim Bund gehen also zunehmend Ressourcen dafür drauf, die staatliche Bürokratie selbst zu verwalten. Es dürfte allerdings schwierig werden, dies zu stoppen. Denn zum einen sind die Widerstände etwa gegen die Zusammenlegung von Abteilungen in der Regel groß, weil niemand gerne Kompetenzen abgibt. Zum anderen bedingt die immer stärkere Flut von Gesetzen und Verordnungen eben auch eine entsprechend wuchernde Verwaltung. Eine echte Reform müßte also wohl tiefer ansetzen.







