Das Großprojekt nimmt allmählich Fahrt auf. Manchen Steuerpflichtigen, die trotz der bis Ende Januar verlängerten Abgabefrist bereits ihre Grundsteuererklärungen abgegeben haben, ist jetzt schon der „Grundsteuerwertbescheid“ ins Haus geflattert. Die darin angegebenen Grundsteuerwerte haben die Betroffenen oft schockiert. Wieviel Grundsteuer aber ab 2025 zu zahlen sein wird, darüber kann man derzeit nur plausibel spekulieren, denn der Grundsteuerwertbescheid ist nur der erste von drei Steuerbescheiden im Rahmen der Neufestsetzung der Grundsteuer. Es folgen noch der Grundsteuermeßbetragsbescheid und dann irgendwann im Laufe des Jahres 2024 der endgültige Grundsteuerbescheid mit dem endgültigen Grundsteuerbetrag.
Der Grundsteuerwertbescheid ist aber der Grundlagenbescheid: Auf der Basis des darin genannten Wertes wird später die künftig zu zahlende Grundsteuer durch Multiplikation mit der Steuermeßzahl und dem Hebesatz der Gemeinde ermittelt. Die Angaben im Grundsteuerwertbescheid müssen penibel geprüft werden, und dafür ist nur ein Monat Zeit. Wird kein Widerspruch eingelegt, wird der Bescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig – auch wenn er fehlerhaft ist.
Angesichts einer derart bürgerfeindlich kurzen Einspruchsfrist kann ein Pro-forma-Einspruch sinnvoll sein, um den Fristlauf erst einmal zu stoppen und mehr Zeit für die Prüfung zu gewinnen. Außerdem ist damit zu rechnen, daß die neuen Bewertungsregeln zumindest in Teilen nicht vor den Gerichten Bestand haben werden. Das betrifft insbesondere Baden-Württemberg und Bayern, die – abweichend vom Berechnungsmodell des Bundes – die neuen Grundsteuerwerte flächenorientiert ermitteln. Derzeit kann man noch nicht sagen, wie hoch die Grundsteuer tatsächlich ab 2025 ausfällt, da die Hebesätze noch nicht feststehen.
Hebesätze werden meistens nicht aufkommensneutral neu festgelegt
Die Idee ist, daß die Kommunen die Hebesätze aufkommensneutral neu festlegen, und das können sie natürlich erst dann, wenn die neuen Grundsteuermeßbeträge feststehen. Mit Ausnahme von Niedersachsen, wo Paragraph 7 des dortigen Grundsteuergesetzes ab 2025 in vorbildlicher Weise explizit einen „aufkommensneutralen Hebesatz“ vorschreibt, hat die Aufkommensneutralität aber nur appellativen Charakter. Die Neubewertung wird zu einem drastischen Anstieg der Grundsteuerwerte führen, weil die völlig veralteten Einheitswerte von 1964 (im Osten von 1935) durch aktuell ermittelte Werte ersetzt werden. Das soll durch eine entsprechende Absenkung der im Grundsteuergesetz festgelegten Steuermeßzahlen auf etwa ein Zentel der bisherigen Werte global ausgeglichen werden. Ob das gelingt, ist offen, weil man die Auswirkungen der Neubewertung auf die Grundstückswerte derzeit nur grob abschätzen kann.
Abgesehen davon werden die Grundsteuerwerte aufgrund der Neubewertung in ganz unterschiedlichem Ausmaß ansteigen. Ausschlaggebend für den Anstieg der Werte ist im Prinzip die Entwicklung der Grundstückswerte seit 1964 bzw. 1935. Wo die Mieten und Grundstückswerte im Gemeindegebiet seitdem überdurchschnittlich angestiegen sind, wird es auch bei Aufkommensneutralität zu Mehrbelastungen kommen. In strukturschwachen Gebieten sind im Durchschnitt keine Entlastungen für Eigentümer und Mieter zu erwarten, weil die Kommunen ihr gewohntes Steueraufkommen mit Hebesatzanhebungen verteidigen werden.
Im Osten, wo bislang immer noch mit den Einheitswerten von 1935 gerechnet wird, müßten die Hebesätze erheblich gesenkt werden, um Mehrbelastungen für die Bürger zu vermeiden. Ob das so kommt, bleibt abzuwarten. Für Ostdeutschland einschließlich Ost-Berlin wird von Steuerberatern befürchtet, daß die Grundsteuerbelastung erheblich steigen wird und sich örtlich auch verdoppeln oder verdreifachen kann. Dagegen wird es auch nach 2024 weiterhin ein paar Glückliche geben, die gar keine Grundsteuer zahlen müssen: Mehrere Gemeinden in Rheinland-Pfalz haben es aufgrund von sprudelnden Einnahmen aus Windkraftanlagen nicht nötig, die Steuer überhaupt zu erheben.
Die Grundsteuer bringt Mehrbelastungen für Mieter und Grundstückseigentümer
Abgesehen davon gibt es Sondereffekte aufgrund der Berechnungsmodelle. In Bayern und Baden-Württemberg wollte man es einfach, bürgerfreundlich und unbürokratisch machen, aber wenn man es zu einfach macht, sind die Lasten am Ende allzu ungerecht verteilt. So wird wegen des bayerischen Flächenmodells die Grundsteuer etwa in Münchner Bestlagen sinken, weil das Modell keine Differenzierungen nach Wohnlagen kennt. Egal, wo sie im Stadtgebiet liegen, ob in Neuperlach oder in Bogenhausen, soll es künftig für zwei ansonsten identische Wohnungen in München keine Unterschiede bei der Höhe der Grundsteuer mehr geben.
Das „modifizierte Bodenwertmodell“ Baden-Württembergs benachteiligt dagegen besonders Eigentümer großer Grundstücke. Bei diesem Modell wird die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert multipliziert, um den Grundsteuerwert zu ermitteln. Es ist kaum zu glauben, aber die Bebauung spielt dabei gar keine Rolle. Es ist egal, ob auf dem Grundstück Omas Häuschen oder ein hochmodernes vermietetes Mehrfamilienhaus steht. Es gibt Fälle, wo große Teile des Grundstücks gar nicht bebaut werden dürften, es aber doch insgesamt wie hochpreisiges Bauland bewertet wird. Musterklagen sind in Vorbereitung.
Grundstückseigentümer und Mieter sollten sich auf spürbare Mehrbelastungen einstellen. Es wird zu einer Neuverteilung der Grundsteuerwerte und der zu zahlenden Grundsteuerbeträge kommen. Die individuelle Belastung hängt dabei von verschiedenen Faktoren wie der regionalen Immobilienmarktentwicklung in der Vergangenheit, dem Berechnungsmodell des jeweiligen Bundeslandes und der Hebesatzpolitik der Gemeinde ab. Daß es zu keinen globalen Mehrbelastungen kommen wird, ist Wunschdenken. Außer in Niedersachsen ist die Aufkommensneutralität für die Kommunen nirgendwo gesetzlich festgelegt. In Baden-Württemberg haben im ersten Halbjahr 2022 bereits 171 von 1.101 Gemeinden den Hebesatz erhöht.