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Italiens Wirtschaftspolitik: Kontrollverlust im Fördertopf

Italiens Wirtschaftspolitik: Kontrollverlust im Fördertopf

Italiens Wirtschaftspolitik: Kontrollverlust im Fördertopf

Obwohl in Italien nun eine Rechte Ministerpräsidentin ist, bleibt die Wirtschaftspolitik des Landes absurd – Fördertöpfe werden wie Eis im Sommer geplündert (Symbolbild) Foto: picture alliance / PantherMedia | Patrick Daxenbichler
Obwohl in Italien nun eine Rechte Ministerpräsidentin ist, bleibt die Wirtschaftspolitik des Landes absurd – Fördertöpfe werden wie Eis im Sommer geplündert (Symbolbild) Foto: picture alliance / PantherMedia | Patrick Daxenbichler
Obwohl in Italien nun eine Rechte Ministerpräsidentin ist, bleibt die Wirtschaftspolitik des Landes absurd – Fördertöpfe werden wie Eis im Sommer geplündert (Symbolbild) Foto: picture alliance / PantherMedia | Patrick Daxenbichler
Italiens Wirtschaftspolitik
 

Kontrollverlust im Fördertopf

Mit Giorgia Meloni hat nun zwar eine rechte Ministerpräsidentin das Sagen in Rom. Doch die italienische Wirtschaftspolitik wird dadurch noch lange nicht seriöser. Im Gegenteil: Eine Absurdität jagt die nächste.
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Eine gemeinschaftliche Haftung – wie etwa bei Eurobonds – werde es nicht geben, „solange ich lebe“. Das versprach Angela Merkel im Zeichen der Eurokrise 2012. Acht Jahre später galt diese Aussage nicht mehr, denn da beschloß der Europäische Rat einen Corona-Wiederaufbaufonds bei einer EU-Schuldenaufnahme von 807 Milliarden Euro bis 2027. Die Mittel sollen zu 42 Prozent als „verlorene“ Zuschüsse und zu 48 Prozent als rückzahlbare Kredithilfen an die Eurostaaten vergeben werden. Zu zehn Prozent stocken sie bisherige EU-Programme auf.

Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes führt dies zu einer deutschen Nettobelastung von 66 Milliarden Euro. Denn die Hilfen konzentrieren sich auf die hochverschuldeten EU-Länder, voran Italien mit insgesamt 191 Milliarden Euro, davon 69 Milliarden Euro als Zuschüsse. Zusätzlich haftet Deutschland mit mindestens 24 Prozent für etwaige Tilgungsausfälle anderer Mitgliedstaaten, sollten diese ihren Anteil nicht leisten können oder wollen – die von Griechenland und Polen erhobenen Reparationsansprüche könnten einen Anlaß bieten.

„Wir haben ein System aufgebaut, das nur wenige Kontrollen vorsieht“

Doch die so finanzierten „Aufbaupläne“ werden indes nur von der EU-Kommission genehmigt und vom Ministerrat angenommen. Trotz der erheblichen finanziellen Netto-Zuführungen und Haftungszusagen bleibt der Bundestag außen vor. Hinzu kommt, daß die italienische Regierung per Dekret den nationalen Rechnungshof von der begleitenden Überwachung ausgeschlossen hat. Überprüfungen finden jetzt nur zu Projektbeginn sowie nachträglich statt. In der Vergangenheit führten die Zwischenkontrollen zu Korrekturen und bei schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten auch zu Verfahren gegen die Verantwortlichen.

Jetzt gilt in Italien „freie Regierungshand“ – indirekt auch für deutsche Steuergelder. Dabei hatte Ex-Premier Mario Draghi anläßlich bekannt gewordener Mißstände bei der Fördermittelvergabe noch festgestellt: „Wir sind in dieser Situation, weil wir ein System aufgebaut haben, das nur sehr wenige Kontrollen vorsieht.“

So wurde mit dem 420 Millionen Euro schweren und EU-genehmigten Programm „zur Rettung und Wiederbelebung sterbender Dörfer“ auch das 142-Einwohner-Dorf Trevignano in der Provinz Viterbo nördlich von Rom gefördert – zur Wirtschaftsstärkung und zur Bekämpfung der Abwanderung mit 140.845,07 Euro pro Kopf. Die Sanierung des Fußballstadions von Florenz mit 194 Millionen Euro (davon 64 Millionen Euro EU-Mittel) und der Neubau eines Stadions in Venedig mit Gesamtkosten von 303 Millionen Euro (davon 93 Millionen Euro EU-Mittel) konnten in letzter Minute gestoppt werden.

Das „Superbonus 110 Prozent“-Förderprogramm: Eine Absurdität

Ein fragwürdiges Programm ist auch der „Superbonus 110 Prozent“ des „Decreto Aiuti“ (Beihilfedekret). Eigentümer von Häusern und Wohnungen bekommen die Kosten für Energieinvestitionen in Höhe von 110 Prozent als Steuergutscheine vom Staat ersetzt. Ein gutes Geschäft: Zum Rechnungsbetrag werden zehn Prozent draufgelegt, die als eine Art Aufschlag für die Handelbarkeit und dabei entstehende Provisionen der Gutscheine gelten können. Denn mangels Liquidität können die Auftraggeber die Steuergutschriften an die Bauunternehmen übertragen, die diese wiederum ihrer Bank gegen Gutschrift einreichen.

502.349 Wärmepumpen wurden so 2022 eingebaut, in Deutschland nur 236.000. Allerdings in Italien oft zusätzlich zur Gasheizung als Kombigerät mit Klimaanlage für den Sommer. Kostenvoranschläge einholen – wozu denn? Dieses Konstrukt lädt zum Betrug geradezu ein. Durch überhöht ausgewiesene Rechnungen für die Steuergutschriften lassen sich nicht nur neue Heizkessel, Wärmedämmung und Solaranlagen privatkostenfrei finanzieren. Die Differenz kann zu Lasten des Staates und der EU auch noch geteilt werden. Zwar wurde der Mißstand von der italienischen Regierung eingestanden, aber das System funktioniert anscheinend trotz angekündigter Kontrollen weiterhin.

„Die Betrügereien gehören zu den größten, die diese Republik je gesehen hat“

„Die Betrügereien gehören zu den größten, die diese Republik je gesehen hat“, gab Ex-Finanzminister Daniele Franco zu. Zudem erkannte die Finanzbehörde eine weitere Betrugsmethode und beschlagnahmte Steuergutschriften im Wert von 2,3 Milliarden Euro, wobei der Schaden sogar bis zu vier Milliarden Euro betragen könnte. Die Methode war ein Handel mit nichtexistierenden Steuergutschriften, mit denen Mafiosi über Scheinfirmen Arbeiten vorgetäuscht haben, die nie stattfanden.

Zudem betreffe diese Methode generell Investitionsprämien, so Behördenchef Ernesto Maria Ruffini. Als weitere negative Effekte wurden Preissteigerungen für energetische Sanierungen und fragwürdige Qualitäten der Arbeiten festgestellt, denn der Superbonus hebt die Nachfrage über die verfügbaren Handwerkskapazitäten in dieser Branche.

Die Neuverschuldung ist von fünf auf acht Prozent geklettert

Aktuell ist der Steuerbonus verlängert worden. Allerdings wurde der Weiterverkauf der Gutschriften untersagt. Eine schrittweise Kürzung ist ab 2024 geplant – dann dürften auch die Überweisungen aus Brüssel versiegen. Das Steuergeschenk wird einschließlich verschiedener anderer Bauförderungen auf 110 Milliarden Euro geschätzt, davon etwa 75 Milliarden Euro für den Superbonus. Der Betrag wird fiskalisch verschmerzt, indem Italien 15,3 Milliarden Euro für die „Steigerung der Energieeffizienz“ aus Brüssel erhält. Hinzu kommt ein Entgegenkommen des EU-Statistikamtes Eurostat. Geplant war, die Belastungen dann als Steuermindereinnahme in die staatliche Defizitberechnung einfließen zu lassen, wenn sie anfallen.

Weil die Steuergutschriften im italienischen Modell wie eine Währung gehandelt werden, müssen sie jedoch wie eine Staatsausgabe zum Zeitpunkt der Bewilligung verbucht werden. Deshalb wird die staatliche Neuverschuldung Italiens für 2022 rückwirkend statt fünf nunmehr acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen – und die Regierung Meloni kann diesen Spielraum weiter nutzen – bei einer Staatsverschuldung von 145 Prozent. Noi non potemo avere perfetta vita senza amici – Wir können kein perfektes Leben ohne Freunde führen.

JF 32/23 

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