BRÜSSEL. Die EU-Kommission plant, die Energiegewinnung aus Atom- und Erdgasanlagen als klimafreundlich einzustufen. Bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke sollen unter die sogenannte Taxonomieverordnung fallen, wodurch der Bau gefördert werden kann, geht aus einem Verordnungsentwurf der Brüsseler Behörde hervor, über die die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Für Erdgasanlagen soll dies demnach bis 2030 gelten.
„Es muß anerkannt werden, daß der fossile Gas- und der Kernenergiesektor zur Dekarbonisierung der Wirtschaft der Union beitragen können“, heißt es dem Bericht zufolge in dem Papier. Der „Bau und sichere Betrieb neuer Kernkraftwerke zur Strom- oder Wärmeerzeugung, auch zur Wasserstofferzeugung, unter Einsatz der besten verfügbaren Technologien“ soll als nachhaltig und klimafreundlich gelten.
Habeck: „Bei dieser Hochrisikotechnologie falsch“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte die Pläne der EU-Behörde. „Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit“, sagte Habeck laut der Deutschen Presse-Agentur am Samstag in Berlin. „Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht. Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht.“ Atomenergie als nachhaltig einzustufen, sei „bei dieser Hochrisikotechnologie falsch“. Dies sei „mehr als bedenklich“.
Ähnlich äußerte sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). „Ich halte es für absolut falsch, daß die Europäische Kommission beabsichtigt, Atomkraft in die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen“, unterstrich sie gegenüber der Funke-Mediengruppe.
Frankreich und Polen hatten sich in der Vergangenheit für die Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energiequelle eingesetzt. Als klar dagegen positionierten sich bislang vor allem Deutschland, Österreich und Luxemburg. Deutschland hatte drei seiner Atomkraftwerke am Jahresende 2021 vom Netz genommen. Die letzten drei Kernkraftwerke sollen Ende kommenden Jahres abgeschaltet werden.
Steigende Energiepreise größte Sorge der Deutschen
Die damalige Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach einem Erdbeben vor Japan und daraus resultierenden Unfällen und Störfällen im Kernkraftwerk Fukushima den Atomausstieg beschlossen. Der Schritt wird seitdem heftig kritisiert und die künftige Versorgungssicherheit in Deutschland in Frage gestellt.
Das Thema Energie beschäftigt vor allem seit den steigenden Strompreisen auch die breite Öffentlichkeit. Laut einer neuen Studie der Beratungsgesellschaft EY, die der Welt vorliegt, sind steigende Energiepreise die größte Sorge der Deutschen. 52 Prozent der Befragten machen sich aktuell große, 39 weitere Prozent leichte Sorgen angesichts der gestiegenen Preise für Strom, Gas und Heizöl. Ähnlich hoch sind die Ängste bezüglich steigender Lebenshaltungskosten. Und auch die anhaltende Asylkrise sorgt bei einer deutlichen Mehrheit der Deutschen für Unruhe.
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Die AfD fühlt sich in ihrer Position bestätigt. ,,Was die AfD schon immer gesagt hat, wird nun international zum Mainstream: Wenn man es ernst meint mit einer Reduktion von CO2-Emissionen, kommt man an der Kernkraft nicht vorbei, es sei denn, man nimmt Deindustrialisierung, Verarmung und Bevormundung in Kauf‘‘, sagte die umweltpolitische Sprecherin der AfD-Delegation im EU-Parlament, Sylvia Limmer. Es sei Zeit für ein Comeback der Kernkraft. (ls)