KÖLN/BERLIN. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat vor den langfristig negativen Folgen für Wohnungssuchende aufgrund des Berliner Mietendeckels gewarnt. „Egal ob in New York, San Francisco, Barcelona, London oder Stockholm, überall zeigte sich, daß nach solchen Eingriffen kaum noch in die Qualität der Bestände investiert wurde“, teilte der Leiter des Kompetenzfelds Finanz- und Immobilienmärkte, Michael Voigtländer, am Montag mit.
Nicht nur energetische Modernisierungen oder der altersgerechte Umbau würden unwahrscheinlicher, sondern auch gewöhnliche Instandsetzungen. „Hinzu kommt, daß der Wohnungsmarkt nicht entlastet wird: Ältere Mieter ziehen aus zu großen Wohnungen seltener aus, da sie kaum neue Wohnungen finden.“ Dies liege daran, daß Vermieter häufig versuchten, an Selbstnutzer zu verkaufen, wodurch das Angebot an Mietwohnungen sinke. Gerade für einkommensarme Haushalte werde der Markt dadurch schwerer zugänglich.
„Viele Folgen sind erst nach Jahren sichtbar“
„Viele Folgen eines solchen Eingriffs sind erst nach Jahren sichtbar – auch dadurch erklärt sich die Popularität einer solchen Regulierung“, verdeutlichte Voigtländer. Doch bereits jetzt sei sichtbar, daß es weniger Mietwohnungen gebe. Zwischen Anfang des Jahres bis Ende Oktober 2020 sei die Zahl der angebotenen Mietwohnungen, die 2014 oder früher gebaut wurden, um 47 Prozent gesunken. Zugleich sei das Angebot von Wohnungen zum Kauf gestiegen. In anderen deutschen Großstädten sei die Zahl der Mietwohnungen hingegen nur um maximal 13 Prozent zurückgegangen.
Am heutigen Montag trat die sogenannte Phase 2 des Mietendeckels in Kraft. In der ersten Stufe waren die Mieten eingefroren worden, nun müssen sie tatsächlich abgesenkt werden, wenn bei vor 2014 gebauten Wohnungen die festgelegten Obergrenzen um 20 Prozent überschritten werden. Laut dem IW profitieren davon vor allem Mieter in den begehrten Vierteln Prenzlauer Berg und Mitte. Dort seien die Differenzen zwischen Obergrenzen und den aktuellen Mieten am größten. Gegen den Mietendeckel sind mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig.
Unterdessen kündigten die beiden Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia an, ihre Investitionen in der Hauptstadt zu stoppen. „Aufgrund des Mietendeckels haben wir Modernisierungs- und Neubauprojekte vorerst gestoppt“, sagte ein Vonovia-Sprecher dem rbb. Weil Modernisierungen nicht mehr finanzierbar seien, starte das Unternehmen keine umfangreicheren Investitionen mehr, bis das Bundesverfassungsgericht über den Mietendeckel entschieden habe.
Immobilienkonzerne kündigen Investitionsstopp an
Auch die Deutsche Wohnen stellt dem Bericht zufolge geplante Sanierungen und neue Projekte ein. „Bei der Instandhaltung und -setzung machen wir auch unter dem Mietendeckel keine Abstriche“, erklärte ein Sprecher dem Sender. „Bei energetischer Sanierung und im Neubau hingegen haben wir geplante neue Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund einer Milliarde Euro zurückgestellt.“
Der Mietendeckel und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit wirkten sich erheblich auf die Planung von Investitionen aus. Das Unternehmen müsse fast jede dritte Miete ihrer rund 116.000 Wohnungen in Berlin senken. Doch auch Privatvermieter müßten aufgrund des Mietendeckels auf umfangreiche Sanierungen verzichten, sagte der Vorsitzende des Grundeigentümervereins Berlin-Lichtenrade dem rbb. „Durch den Mietendeckel gehen dem Eigentümer rund 50 Prozent der nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch geltend gemachten Modernisierungsmieterhöhung verloren.“
Derzeit würden viele Eigentümer auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten. Sollte das Berliner Gesetz bestätigt werden, würden sich die jetzt schon abzeichnenden Tendenzen verschärfen. „Weniger Investitionen, insbesondere für werterhöhende Maßnahmen, aber auch für energetische Sanierungen.“ Mehrere Privatvermieter hätten zudem bereits angekündigt, in einem solchen Fall ihre Eigentumswohnungen beim nächsten Auszug des Mieters zu verkaufen. (ls)