Mit der Erfindung einer fest umrissenen „Neuen Rechten“, die eine intellektuelle Strömung innerhalb des verfassungsfeindlichen und damit aus dem „demokratischen Diskurs“ auszugrenzenden und durch „Erwähnung“ im Verfassungsschutzbericht zu ächtenden Rechtsextremismus sei, diskriminiert das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen seit 1995, also seit zehn Jahren, die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT, ihre Mitarbeiter, Autoren, Interviewpartner und Leser. Einen Höhepunkt erreichte diese Kampagne gegen eine vermeintliche „Neue Rechte“ mit einer vom NRW-Innenministerium organisierten „Fachtagung“ am 8. Oktober 2003 in Düsseldorf mit dem Titel „Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie?“. Im Anschluß daran hatte Spiegel online den Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Hartwig Möller, interviewt. Dort kam es zu folgendem Wortwechsel: „SPIEGEL ONLINE: Wer liest Blätter wie etwa die rechte Wochenzeitung JUNGEN FREIHEIT? Möller: Wir wissen nicht, wie die JUNGE FREIHEIT neue Leser gewinnt. Die Stammleser kennen jedenfalls diese Codewörter, wie etwa die Hinweise auf die ‚konservative Revolution‘. Es ist in jedem Fall ein anspruchsvolles Publikum. Und die wissen genau Bescheid, was sie tun. Man muß sich diese Leute als seriös erscheinende, rechtsextremistische Intellektuelle vorstellen. SPIEGEL ONLINE: Rechtsextremismus in Nadelstreifen? Möller: So könnte man es nennen.“ Hier finden wir die rufschädigende Wirkung der permanenten Verdächtigung durch den NRW-Verfassungsschutz in verdichteter Form vor. Aus den im Verfassungsschutzbericht geäußerten „Anhaltspunkten für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen“ wird die Feststellung, daß die „Neue Rechte“ eine Strömung innerhalb des Rechtsextremismus sei, zu der die JUNGE FREIHEIT zu rechnen ist. Dann werden sogar aus Abonnenten der JUNGEN FREIHEIT kurzerhand pauschal „Rechtsextremisten in Nadelstreifen“. Die „Neue Rechte“ ist eine vom NRW-Verfassungsschutz lancierte Chiffre, mit der demokratische Konservative, demokratische Rechte in Deutschland unter Extremismusverdacht gesetzt und im öffentlichen Diskurs für indiskutabel erklärt, also mundtot gemacht werden sollen. Potemkinsche Dörfer des Verfassungsschutzes Elisabeth Noelle-Neumann hat in ihrem Standardwerk zur öffentlichen Meinung die Bedeutung der „Stereotype“ als „Verkehrsmittel der öffentlichen Meinung“ herausgearbeitet, aber auch als Mittel zur Ächtung und Ausgrenzung des politischen Gegners. Der Begriff der „Stereotype“ sei, so Noelle-Neumann, vom amerikanischen Publizisten Walter Lippmann erstmals geprägt worden. Dieser habe festgestellt: „Wer sich aber der Symbole bemächtigt, die für den Augenblick das öffentliche Gefühl beherrschen, beherrscht hierdurch in starkem Maße den Weg der Politik.“ Wie die Heldenverehrung, so gebe es in der öffentlichen Meinung auch die Austreibung des Teufels. In unserem Fall sind die Teufel diejenigen, die als „Neue Rechte“ angegriffen werden. Je öfter nun ein Stereotyp wiederholt werde, so Noelle-Neumann, um so fester präge es sich ins Gedächtnis auch der Multiplikatoren ein, an erster Stelle der Journalisten, die die „öffentliche Meinung“ prägen, die bekanntlich mit der Meinung der „schweigenden Mehrheit“ nicht übereinstimmen muß. Ein Stereotyp nun, das sogar das Siegel des Verfassungsschutzes trägt, wiegt besonders schwer. Die „Neue Rechte“ ist somit ein Phantom des Verfassungsschutzes NRW, sie ist ein Potemkinsches Dorf, eine Projektionsfläche, mit der eine gespenstische Gefahr beschrieben werden soll. Gefährlich ist jedoch nicht das, was mit dem Begriff „Neue Rechte“ dämonisch gejagt werden soll, gefährlich ist der Mißbrauch dieses Begriffs durch den Verfassungsschutz. Es geht nämlich nicht mehr um die Verfolgung tatsächlichen Rechtsextremismus, was Aufgabe des Verfassungsschutzes neben der Verfolgung des Linksextremismus ist. Es geht um die Desavouierung der „Rechten“, der einen Hälfte des Spektrums der Demokratie insgesamt. Der einzige kritische Teilnehmer der besagten Düsseldorfer Tagung, Uwe Backes, hat dies richtig gesehen, als er dort zu seiner Ablehnung des „Neue Rechte“-Begriffs erklärte: „Ich plädiere also dafür, mit einem solchen Begriff nicht pauschal alles, was sich vielleicht als rechts definieren könnte, aus dem Verfassungsbogen herauszudrängen. Es sollte auch Platz sein für eine gemäßigte Rechte, genauso wie es Platz gibt für eine gemäßigte Linke.“ Die Begriffe „Links“ und „Rechts“ sind spätestens seit der Wende 1989/90 und dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks weitgehend sinnlos geworden. Sie haben aber insbesondere in Deutschland als politische Wellness-Begriffe überlebt. Gut ist es, links zu sein, böse ist es, rechts zu sein. Sich als „links“ zu bezeichnen, gilt im Sinne der öffentlichen Meinung als couragiert, tatsächlich befindet man sich allein unter Journalisten in einer opportunistischen Hammelherde, von denen sich schätzungsweise 90 Prozent „mutig“ solchermaßen einordnen. Sich hingegen als „rechts“ zu bezeichnen, ist angesichts dessen eine gewagte Mutprobe in einem Land, dessen bürgerliche Opposition es widerspruchslos hinnimmt, daß das NRW-Innenministerium eine Internetseite betreibt mit dem Namen www.NRWgegen Rechts.de. Undenkbar, daß das Land Hessen beispielsweise unter der dortigen Regierung eine Seite www.Hessengegen Links.de betreiben würde. Auszug aus dem Vorwort zum Buch des Autors, Phantom „Neue Rechte“, das 2005 in der Edition JF erschienen ist.