Der feierliche Zug einer riesigen unüberschaubaren Menschenmenge bewegt sich entlang der via della Conciliazione, überquert den Petersplatz und bewegt sich hinein in die Basilika des Heiligen Petrus, wo der tote Pontifex in seinem rot-weißen Bischofsgewand aufgebahrt ist. Alte, Junge, Kinder, Kranke – sie sind gekommen aus aller Welt, um dem vergangenen Samstag verstorbenen Papst Johannes Paul II. die letzte Ehre zu erweisen und um Abschied von ihm zu nehmen. Dieser Papst hat in seinem 26jährigen Pontifikat mehr Menschen erreicht und selbst mehr und eindringlicher zum Wort gegriffen als jeder seiner Vorgänger. Als am 16. Oktober 1978 um 18.45 eine riesige, seit Tagen auf dem Petersplatz in Rom ausharrende Menge schließlich die ersehnte Botschaft hörte: „Wir haben einen Papst“, brach Jubel aus, der sich noch steigerte, als der neu gewählte Pontifex sich auf der Benediktions-Loggia zeigte und die Gläubigen segnete. Der damals 58jährige Pole Kardinal Karol Wojtyla war der erste Nicht-Italiener, der seit 456 Jahren zum Papst gewählt wurde. Sein Amt als Oberhaupt von 906 Millionen Katholiken hatte er angetreten, die Kirche ins dritte Jahrtausend zu führen. Was ihm auch trotz Krankheiten und unter zum Teil großen Schmerzen gelang. Und noch nie hat einer öffentlicher gelebt als Johannes Paul II., der erste slawische Nachfolger auf dem Stuhl Petri, jener Karol Wojtyla aus Wadowice. Dieser Papst benutzte die Medien raffinierter und geschickter als die besten PR-Manager, um seine Botschaft in alle Welt zu verkünden. Selbst seine Schmerzen und sein unsägliches Leiden machte er am Schluß seines Lebens zum öffentlichen Thema. Die Jugend lauschte engagiert und fröhlich seiner Botschaft Die zentralen Punkte seines Pontifikats waren von Anfang an Ökumene, interreligiöser Dialog und Neu-Evangelisierung samt einer ernsten kirchlichen Gewissenserforschung über Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit, um für die Zukunft im 21. Jahrhundert zu lernen. Dokumente seines Glaubens und seiner Überzeugung sind vor allem die Moralenzyklika „Veritatis splendor“ und der Welt-Katechismus. Sie hüten die moralischen Grundwerte und bekräftigen den Zölibat. Selbst unter gläubigen Katholiken sind solche Thesen des Papstes nicht unumstritten. Doch das focht ihn selbst nie an. Wie ein Stein blieb Johannes Paul II. hart und beharrlich, redete mit dem Mut und der inneren Überzeugung dessen, der nie die Hoffnung und den Glauben aufzugeben vermochte, daß das menschliche Herz doch noch zugänglich sei. „Fürchtet euch nicht! Öffnet die Pforten Christi auf Erden“, lautete seine erste Botschaft nach seiner Wahl, die er den Pilgern auf dem Petersplatz zurief. Obwohl er mitunter mit seiner Unerbittlichkeit schockte, dürfte in der jüngsten Geschichte kaum eine andere Persönlichkeit die Menschen so bewegt haben wie er. Wo auch immer auf der Welt er sich auf seinen über hundert Reisen zeigte, brauste ihm Jubel entgegen. Menschen unterschiedlicher Rassen, Bildung und Alters taten ihm ihre Sympathie kund, mitunter mit Tränen in den Augen. Seinem Charisma konnte sich scheinbar niemand entziehen. Besonders die Jugend der Welt stand hinter ihm. Bei den Weltjugendtagen in Paris, Denver, Rom oder Buenos Aires jubelten und jauchzten sie ihm entgegen. Die Bilder gingen immer wieder um die Welt. Auf der einen Seite Papst Johannes und auf der anderen Seite die Jugendlichen, die fasziniert und fröhlich engagiert seiner Botschaft lauschten. Denn dieser polnische Papst, früher nicht nur Erzbischof von Krakau, sondern auch Philosophieprofessor, er vermochte den Jungen mit seiner Sehnsucht nach der Sinnsuche noch immer die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens zu vermitteln. Die Lehre, die der Papst dabei vorstellte, war freilich vielen Zeitgenossen ein Stein des Anstoßes. Denn was immer Johannes Paul II. sagte, orientierte sich nicht an Moden, fiel aus dem Tag. Seine Autorität wurzelte im Glauben; in einer Philosophie, die wegen ihrer Suche nach dem Bleibenden und Gültigen den meisten Vorstellungen des Heute zuwiderläuft. Doch gerade deswegen liebten die Jungen diesen Papst. Der fehlende Gottesbezug der EU-Verfassung schmerzte tief Die Reisen in seine Heimat Polen wurden für Wojtyla zu persönlichen und politischen Triumphzügen. Es war der Papst, der die polnische Gewerkschaft „Solidarität“ stärkte und so den Zusammenbruch des kommunistischen Systems beschleunigte (siehe Seite 4). Es war auch dieser Papst, der längst in gesamteuropäischen Dimensionen dachte, als Europa noch durch die Mauer geteilt war. Eine Teilung, die er nie akzeptierte. Und es war der frühere Kremlchef Michael Gorbatschow, der ihm bescheinigte, daß er wesentlich zum Ende des Kommunismus und zu den Ereignissen der Wendejahre 1989/90 beigetragen habe. Im Rückblick muß die Ostdiplomatie dieses Papstes als erfolgreich gewertet werden: Der Vatikan unterhält heute mit 157 Staaten der Welt, darunter fast alle ehemaligen Staaten aus dem Ostblock, diplomatische Beziehungen. Diesem Papst gelang es auch, das Eis zu brechen, das sich in Jahrhunderten zwischen der römischen Kirche und dem Judentum aufgetürmt hatte. Das Verhältnis zwischen Juden und Katholiken hat unter seinem Pontifikat an Tiefe und Substanz gewonnen. Nicht gelungen sind ihm hingegen seine Bemühungen, den Dialog mit der orthodoxen Kirche zu vertiefen. Die Reise nach Moskau ebenso wie nach Peking blieb ihm verwehrt. Seine tiefste Niederlage mußte Papst Johannes Paul II. jedoch in Europa hinnehmen: Es war ihm nicht gelungen, einen Gottesbezug beziehungsweise die ausdrückliche Berufung auf christliche Wurzeln oder das christliche Erbe in die Präambel der EU-Verfassung aufzunehmen. Es war und blieb eine Wunde, die ihn bis zu seinem Tode tief schmerzte. Trauer um Johannes Paul II.: In aller Welt nehmen Katholiken Abschied vom Papst. Dieser Papst benutzte die Medien raffinierter und geschickter als die besten PR-Manager, um seine Botschaft in alle Welt zu verkünden. Selbst seine Schmerzen und sein unsägliches Leiden machte er am Schluß seines Lebens zum öffentlichen Thema.
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