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Die Macht der Erinnerung

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Der 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, seit 1996 nationaler Gedenktag, bildet den schwergewichtigen Auftakt für den Marathon an Erinnerungstagen im Jahr 2005. Dabei droht das Gedenken in immer starreren, bombastischeren Formeln zu ersticken. Stellvertretend für die ohrenbetäubende Sprachlosigkeit, mit der dieses Gedenken absolviert wird, steht ein Satz, den Bundeskanzler Gerhard Schröder an diesem Dienstag in Berlin äußerte: „Uns Deutschen stünde es gut an, angesichts des größten Menschheitsverbrechens zu schweigen.“ Es läßt sich wohl nicht ganz abstreiten, daß sich die Repräsentanten des deutschen Staates, wie auch in diesem Fall, gerade daran nicht halten. Im Gegenteil: Joschka Fischer, der Auschwitz als das Fundament der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, steht für die monströse Anrufung dieser eindimensionalen geschichtlichen Fixierung der Deutschen. Wir Deutschen lassen uns vielleicht allzu leicht vom Gedanken der Exklusivität gefangennehmen – heute im Namen einer Sonderstellung, was das „größte Menschheitsverbrechen“ angeht. Ein Gutteil neudeutscher Arroganz beim Auftreten in Fragen der Friedenspolitik rührt von diesem eigenartigen Sonderbewußtsein her. Es führt auch nicht zu Bescheidenheit – dieses findet nicht nur in den großmannssüchtigen Neubauten des Kanzleramtes und des Bundestages am Spreebogen, sondern auch in den Dimensionen des am 8. Mai zu eröffnenden Holocaust-Mahnmals seinen Ausdruck. Wie leicht die Parole vom „Nie vergessen“ über die Lippen geht und sofort Schall und Rauch ist, zeigt eine Nachricht aus Brandenburg: Im Schuljahr 2002 hatte das Bundesland den Völkermord an den Armeniern, dem zwischen 1915 und 1917 im Osmanischen Reich anderthalb Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind, im Rahmen der Beschäftigung mit Völkermord und Genozid auf den Lehrplan gesetzt. Zu Jahresbeginn wurde der Stoff laut Presseberichten sang- und klanglos wieder vom Plan gestrichen – auf Druck türkischer Diplomaten. Wie diametral entgegengesetzt der Umgang mit der Vernichtung der Juden in Deutschland und der Armenier in der Türkei ist: In Deutschland ist die Leugnung der Judenvernichtung unter Strafe gestellt, in der Türkei ist es mit Strafe bedroht, die Tatsache des Völkermordes überhaupt zu behaupten! Ein Thema, das von den Befürwortern des EU-Beitritts der Türkei elegant zur Seite geschoben wird. So unehrlich geht man mit dem Thema „Erinnerung“ um. Die JUNGE FREIHEIT stiftete im Dezember 2004 erstmalig den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten. Aus Anlaß des Auschwitz-Gedenktages drucken wir einen Text Löwenthals aus seinen Lebenserinnerungen „Ich bin geblieben“ (Seite 22), in dem er aus Sicht eines überlebenden deutschen Juden den Zusammenbruch Deutschlands 1945 schildert – und die Frage beantwortet, warum er blieb und sein Land nicht verließ, das seine Familie deportierte.

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