BERLIN. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist offenbar doch bereit, die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse zu lockern, wenn er die Regierung übernimmt. Im Kanzlerduell mit Olaf Scholz (SPD) setzte er sich damit vom gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU ab.
Auf die Frage von Moderatorin Maybrit Illner, ob die „Schuldenbremse noch reformiert“ werde, hatte der CDU-Chef fünf Minuten vor Ende der Sendung gesagt: „Man kann über alles diskutieren, aber das kommt sicher nicht am Anfang. Am Anfang kommt das Einsparpotential, kommt das Wachstum und kommen Umschichtungen im Haushalt, die dringend notwendig sind.“
Illner entgegnete, ohne daß Merz es noch einmal relativierte: „Das ist interessant. Also dann öffnen Sie diese Tür hier noch einmal sehr deutlich und sagen, es kann zu einer Reform der Schuldenbremse mit Ihnen und unter Ihnen kommen – wenn auch nicht als erstes.“
Schuldenbremse im CDU/CSU-Wahlprogramm
Dabei hat die Union im Wahlprogramm folgendes Versprechen abgegeben: „An der grundgesetzlichen Schuldenbremse festhalten. Sie stellt sicher, daß Lasten nicht unseren Kindern und Enkeln aufgebürdet werden.“ Sie verpflichte die Politik, „mit den Einnahmen auszukommen, die für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zur Verfügung stehen, und sichert so die dauerhafte Tragfähigkeit des Bundeshaushalts.“ Auch in Krisenzeiten habe sie ihre Funktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen.
Daß sich Merz nun offenbar davon verabschiedet, noch bevor er in Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen eintritt, zeigt, wie sehr er auf die beiden Parteien zugehen möchte, um die nächste Regierung zu führen. Nach einer aktuellen Insa-Umfrage wird es für eine Union-SPD-Koalition nicht reichen. Als dritter Partner würden die Grünen gebraucht. Beide Parteien hatte Merz in der Vergangenheit mehrfach heftig dafür kritisiert, daß sie die Schuldenbremse aufweichen wollen.
Zustimmung aus der CDU für Merz
An Merz‘ Vorpreschen gibt es innerparteiliche Kritik, aber auch Zustimmung. Die Welt zitiert ein nicht namentlich genanntes Vorstandsmitglied mit den Worten: „Das ist kein Thema, das wir in Sondierungsgesprächen am Anfang auf die Agenda setzen würde. Aber wenn eine Regierungsbildung davon abhängt …“
Der Präsident des Deutschen Landkreistags und CDU-Landrat des Kreises Neckar-Odenwald, Achim Brötel, sagte zwar, eine Lockerung der Schuldenbremse nehme „den nachfolgenden Generationen die Luft zum Leben“. Aber er schob hinterher: „Wenn wir allerdings feststellen, daß beispielsweise für die Bundeswehr, die Digitalisierung oder den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur die absolut nötigen Mittel fehlen, wäre so etwas wie ein weiteres Sondervermögen vorstellbar.“
Wegner will Schuldenbremse sofort abschaffen
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte schon im November 2023 gefordert, daß die Schuldenbremse „sofort“ fallen müsse und dafür seinerzeit Ärger mit Merz bekommen.
Standhaft bleibt der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Haushalt in der Unions-Fraktion, Christian Haase: „Eine Lockerung der Schuldenbremse ist für die Bundes-CDU und die Unionsfraktion kein Thema.“ Er warnte in der Welt davor, „über die Schuldenbremse eine Diskussion anzufangen“. Und weiter: „Wenn wir in der Frage die Tür einen Spalt aufmachen, bekommen wir eine Flut von Forderungen.“ (fh)