Streit ums Erbe ist ein alltägliches, wenn auch trauriges Phänomen. Nicht selten bekommen sich die Nachkommen eines Verstorbenen so sehr in die Haare, daß das Ganze vor Gericht landet. Meistens interessiert das dann nur die betroffene Familie, nicht die Öffentlichkeit. Anders verhält es sich, wenn der Erblasser prominent war. Erst recht, wenn es sich sogar um eine Person von historischer Bedeutung handelte.
Eine solche war Helmut Kohl zweifellos. 35 Jahre nach der Wiedervereinigung wird dem 2017 verstorbenen „Kanzler der Einheit“ zu Ehren in Berlin nun eine Helmut-Kohl-Allee gewidmet, um „seine historische Leistung in würdiger Form sichtbar“ zu machen, wie der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) den Senatsbeschluß begründete.
Streit geht vor das Landgericht
Doch nicht weit entfernt von diesem Straßenzug liegt beim Landgericht Berlin gerade eine Unterlassungsklage zur Bearbeitung. Darin fordert die Witwe des früheren CDU-Urgesteins, Maike Kohl-Richter, daß der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung die Nutzung von Kohls Namen untersagt wird. Begründung: Diese sei nicht autorisiert, den Namen zu tragen. Dafür seien „die Zustimmung Helmut Kohls und nach seinem Tod die Zustimmung seiner Alleinerbin notwendig“, heißt es in einer Mitteilung des Anwalts der Witwe.
Und weiter: „Bereits zu Lebzeiten hatte Helmut Kohl in Vorgesprächen mit Vertretern der Bundesregierung ausdrücklich keine Zustimmung zu dieser Art von Stiftung erteilt. Er hatte für eine Stiftung, die seinen Namen trägt, in seinem Namen seine Politik erklärt und sein Leben aufarbeitet, andere Vorstellungen“, schreibt der Rechtsvertreter von Maike Richter-Kohl.
Bundestag beschließt eigene Stiftung
Die Einrichtung der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung wurde 2021 vom Bundestag beschlossen und orientiert sich an den älteren bestehenden Stiftungen zum Gedenken an herausragende deutsche Politiker. Das sind zum Beispiel die Otto-von Bismarck-Stiftung, die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus – nicht zu verwechseln mit der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung – oder die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung.
Die „herausragende Lebensleistung“ Kohls begründe die Notwendigkeit, eine angemessene Erinnerungsstätte in Form einer Stiftung zu schaffen, heißt es in dem jetzt beschlossenen Gesetz. Die repräsentativen Räume der Stiftung mit öffentlich zugänglicher Erinnerungsstätte sowie einer ständigen zeitgeschichtlichen Ausstellung befinden sich im Berliner Jakob-Kaiser-Haus, direkt am Bundestag.
Wer hat das Recht am Namen von Helmut Kohl?
Der Streit um die Stiftung, der nun die Justiz beschäftigt, ist indes nicht neu. Denn die zweite Ehefrau des vor mehr als acht Jahren verstorbenen Altkanzlers hat selbst mit einigen Getreuen einen Monat nach dem Beschluß des Bundestags eine Helmut-Kohl-Stiftung e.V. ins Vereinsregister beim Amtsgericht Ludwigshafen eintragen lassen. Die im Aufbau befindliche Stiftung soll Kohls „politisches Lebenswerk seriös, quellengestützt und vorurteilsfrei“ aufarbeiten und „seine Politik, Visionen und Überzeugungen in der lebendigen Diskussion vor allem mit jungen Menschen zum Wohle von Frieden und Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie weitergeben“, heißt es in der Satzung.
Was ein bißchen an den legendären Disput zwischen der „Judäischen Volksfront“ und der „Volksfront von Judäa“ im Kultfilm „Das Leben des Brian“ der britischen Komiker Monty Python erinnert, offenbart noch ein weiteres Detail. Denn die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung klagt ihrerseits dagegen, daß sich Maike Richter-Kohl die Wortmarken „Helmut Kohl“, „Helmut-Kohl-Stiftung“ und „Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung“ gesichert hat.
Solange dieser ebenfalls beim Landgericht Berlin liegende Namensstreit nicht entschieden sei, solle das nun von der Witwe angestrengte Verfahren ruhen, beantragte die per Gesetz gegründete Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung. Offen ist, ob es zu einer mündlichen Verhandlung kommt.






