SOLINGEN. Der islamistische Attentäter von Solingen ist nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters Johannes Fuß voll schuldfähig. Er sei zwar mit einem Intelligenzquotienten von 71 unterdurchschnittlich intelligent, aber nicht schuldunfähig. In Syrien, wo Issa al H. aufwuchs, liege er damit im unteren Normbereich, zitierte die dpa den Professor.
Es gebe keine Anzeichen für eine psychische Störung wie etwa eine Psychose. Sein Verhalten während der Tat sei zielgerichtet, orientiert und planvoll gewesen. Zudem bescheinigte der Psychiater dem Angeklagten eine hohe Rückfallgefahr – vor allem aufgrund seiner Radikalisierung, seiner Empathielosigkeit und seiner Faszination für Gewalt.
Die vom Psychiater angewandten Methoden seien allerdings nicht für Menschen mit Fluchterfahrung entwickelt worden, relativierte Fuß. Sie stünden demnach unter einem gewissen Vorbehalt. Zudem könne er heute noch nicht sagen, wie hoch das Rückfallrisiko nach einer langen Haftzeit bei etwaiger Deradikalisierung sei.
Gericht zieht Sicherheitsverwahrung in Betracht
Ihm gegenüber habe Issa al H. versucht, die Schuld seinem anonymen Chat-Partner anzulasten und sich selbst als gehirngewaschen und ferngesteuert darzustellen. Zugleich habe er sich allerdings aktiv darum bemüht, daß die Terrorgruppe Islamischer Staat seine Tat für sich beanspruchen konnte.
„Ihm scheint es nicht darum zu gehen, ein möglichst religionsgefälliges Leben zu führen“, sagte Fuß über den Attentäter. Dieser rauche, bete kaum, konsumiere Pornographie und sei religiös ungebildet. Issa al H. habe ihm gegenüber zudem freimütig bekundet, in der Schule „eine Niete“ gewesen zu sein. Er könne nicht gut rechnen und habe es nicht geschafft, eine Fremdsprache zu lernen.
Das Gericht gab im Anschluß an die Vorstellung des Gutachtens den Hinweis, daß in diesem Falle auch die Verhängung der Sicherheitsverwahrung in Betracht komme. Die Beweisaufnahme soll am Mittwoch beendet werden – und anschließend die Plädoyers beginnen. Kommende Woche sei mit dem Urteil zu rechnen.
Angeklagter war bereits vor Einreise Islamist
Der Angeklagte hat gestanden, am 23. August 2024 während einer Stadtfeier im nordrhein-westfälischen Solingen mit einem Messer auf Besucher eingestochen zu haben. Drei Personen starben durch Stiche in den Hals, weitere Besucher wurden schwer verletzt.
Der Islamische Staat reklamierte die Tat für sich. Vor dem Attentat hatte Issa al H. ein Bekennervideo aufgenommen, in dem er einen „Racheakt“ ankündigte. Bereits vor seiner Einreise nach Deutschland habe er islamistische Einstellungen gehegt, ermittelten die Strafverfolgungsbehörden (JF berichtete). Zudem besuchte er in Solingen eine Moschee, in der auch islamistische Prediger verkehrten (JF berichtete).
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 27jährigen Syrer dreifachen Mord und zehnfachen versuchten Mord vor. Auch seine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist Teil der Anklage. (lb)