BERLIN. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD als unzureichend für ein Parteiverbotsverfahren bezeichnet. „Meine Einschätzung: Für ein Verbotsverfahren ist dieses Gutachten nicht ausreichend“, sagte Dobrindt bei der Vorstellung der Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität am Dienstag auf Nachfrage. Die Einstufung des Verfassungsschutzes beziehe sich auf Teile, die für ein Verbot notwendig wären, „explizit nicht“.
Der neue Innenminister hält das 1.100 Seiten starke Papier damit nicht für tragfähig, um ein AfD-Verbot juristisch zu begründen. Das Gutachten befasse sich vorrangig mit dem Verhältnis der Partei zur Menschenwürde, enthalte jedoch keine Aussagen zu einem möglichen Angriff auf den Rechtsstaat oder die Demokratie. Diese beiden Elemente seien laut Dobrindt jedoch wesentliche Voraussetzungen für ein Parteiverbot.
Faeser ließ Gutachten ungeprüft freigeben
Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Dokument ohne vorherige fachliche Prüfung freigegeben. Zunächst gelangte die Hochstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ an ausgewählte Medien wie den Spiegel. Später veröffentlichten neben der JUNGEN FREIHEIT auch Cicero und Nius das vollständige Gutachten. Der Geheimdienst hatte es ursprünglich unter Verschluß halten wollen.

Nach einer Klage beim Verwaltungsgericht Köln zog das Bundesamt für Verfassungsschutz die Hochstufung vorläufig zurück. Dennoch wurden Forderungen nach einem Parteiverbotsverfahren lauter. Die Unionsspitze lehnte dies jedoch ab. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und CSU-Chef Markus Söder riefen die Spitzen der Partei dazu auf, sich an keiner weiteren Debatte über ein AfD-Verbot zu beteiligen. Zuvor hatten verschiedene CDU-Landeschefs ein Parteiverbot ins Spiel gebracht.
Auch zahlreiche Staats- und Verfassungsrechtler hatten das Gutachten als ungeeignet für ein Verbotsverfahren eingestuft. Diese Einschätzung teilt nun auch Bundesinnenminister Dobrindt. (sv)