BERLIN. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat erneut angekündigt, am kommenden Mittwoch nicht die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte das am Montag. Wenn die Unionsfraktion als stärkste oppositionelle Kraft kein Interesse an einer Einigung habe, „dann muß der Bundeskanzler entscheiden und dann die Vertrauensfrage stellen“, sagte er.
Der Kanzler hatte bereits am Sonntag in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ betont, nichts mit der Terminfindung für die Neuwahlen zu tun haben zu wollen. Statt dessen sollten sich der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) auf einen Termin einigen.
Ursprünglich hatte Scholz versprochen, am 15. Januar dem Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, um den Weg für Neuwahlen im März freizumachen.
Union fordert schnelle Vertrauensfrage
Die Union reagierte mit scharfer Kritik am Kanzlers. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei, betonte am Montag gegenüber der Bild-Zeitung, es liege „allein am Kanzler, das Drama zu beenden und die Tür zum Neuanfang zu öffnen“. Scholz solle nun „keine weiteren Nebelkerzen werfen, sondern zügig die Vertrauensfrage stellen“. Dafür seien „keine weiteren Absprachen notwendig“, betonte der Christdemokrat.
Der SPD-Generalsekretär Matthias Miersch betonte die Dringlichkeit, daß „Demokratinnen und Demokraten zeigen, wir können uns über diesen Termin einigen“. Zudem kündigte er an, die Bundesregierung wolle in der Übergangszeit bis zu den Neuwahlen weitere Vorhaben durchsetzen, darunter Unterstützung für die Ukraine, das 49-Euro-Ticket und eine Erhöhung des Kindergelds. Das Problem: Dafür braucht die Regierung die Stimmen der Union. Die hatte jedoch bereits ausgeschlossen, gemeinsam mit der Ampel abzustimmen, solange Scholz nicht die Vertrauensfrage stellt.
Drohung mit Blockade
Doch die Union kündigte unterdessen an, jede Tagesordnung im Bundestag konsequent abzulehnen, solange der Kanzler nicht die Vertrauensfrage stellt. Nur für „Vorgänge von außerordentlicher Dringlichkeit oder überfraktioneller Einigkeit“ solle es Ausnahmen geben, betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Hoffmann, gegenüber den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Zu Beginn jeder Sitzung stimmen die Abgeordneten über die Annahme der Tagesordnung ab, die dann für alle verbindlich wird. Diese muß mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Die Union wäre bei der angekündigten Blockade auf Stimmen anderer Fraktionen angewiesen.
In der vergangenen Woche war die Ampel-Koalition zerbrochen, nachdem der Kanzler den Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen hatte, weil es „keine Vertrauensbasis“ mehr gebe. Daraufhin hatten die anderen FDP-Minister – mit Ausnahme von Verkehrsminister Volker Wissing – ihre Ämter niedergelegt. Rot-Grün-Gelb hat nun keine Mehrheit mehr im Bundestag.
Groteske Posse um angeblichen Papiermangel
Daraufhin waren vor allem von der Union und der AfD Rufe nach schnellstmöglichen Neuwahlen lautgeworden. Am Freitag hatte die Bundeswahlleiterin Ruth Brand in einem Brief an Bundeskanzler Scholz vor „unwägbaren Risiken“ bei einer sehr früh stattfindenden Neuwahl gewarnt. Unter anderem hatte sie dies auch mit Papiermangel begründet. Es sei eine „große Herausforderung in der heutigen Zeit, wirklich das Papier zu beschaffen und die Druckaufträge durchzuführen“.
Kurz darauf hatte der Hauptgeschäftsführer des Papierindustrie-Verbands, Alexander von Reibnitz, gegenüber ZDFheute.de dieser Behauptung widersprochen: „Bei rechtzeitiger Bestellung können wir das benötigte Papier für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern.“
Die Vertrauensfrage kann vom Bundeskanzler an das Parlament gestellt werden, um zu prüfen, ob er noch die Mehrheit im Bundestag hinter sich hat. Erhält er nicht die Mehrheit der Stimmen, liegt es am Bundespräsidenten, auf Wunsch des Kanzlers das Parlament aufzulösen. Wenn er das tut, ist es gesetzliche Pflicht, daß die Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen stattfinden müssen. (st)