BERLIN. In einer 2021 veröffentlichten Doku des öffentlich-rechtlichen Mediums „Funk“, hat der Leiter der Meldestelle „REspect“, Ahmed Gaafar, erklärt, auch legale Inhalte im Netz zu melden. Ziel sei, daß die Plattformen diese Inhalte löschen.
Ein auf der Internetplattform kursierender Ausschnitt, der offenbar aus einer Dokumentation des ARD-Formats „Alpha“ stammt, zeigt, wie ein Reporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens die Meldestelle im Jahr 2021 besucht. Dabei spricht der Reporter mit Gaafar.
Team stellt „Löschantrag“
Der studierte Islamwissenschaftler präsentiert dabei seine Arbeit. Jeden Tag erhalte er von Nutzern in sozialen Netzwerken Hinweise auf „Online-Gewalt“. Darunter fielen etwa „Hetze gegen die BRD“ oder „Hetze gegen die Covid19-Impfung“.
Anschließend schaue das Team von „REspect“ sich diese Meldungen an, erklärt Gaafar. Ein juristisches Team bewerte anschließend, ob die Inhalte strafbar seien. Im Falle von strafrechtlich relevanten Inhalten würden diese „direkt bei der Polizei“ gemeldet. Sind die Inhalte nicht strafbar, stelle das Team hingegen einen „Löschantrag“ beim Betreiber der Seite.
„Wußte die Bundesnetzagentur das nicht?“
Der bekannte X-Nutzer Argo Nerd wies angesichts des Videos darauf hin, daß somit bereits 2021 klar gewesen sei, daß die Meldestelle sich auch für die Löschung völlig legaler Inhalte einsetze. „Wußte die Bundesnetzagentur das nicht?“, fragte der Nutzer dazu. „Oder wußte sie es und es war ihr egal?“ Möglich sei auch, daß die staatliche Behörde dieses Verhalten gutheiße.
2021. Vor laufender ÖRR-Kamera.
Es war also damals schon klar, was diese „Meldestelle“ macht.
Wusste die Bundesnetzagentur das nicht?
Oder wusste sie es und es war ihr egal?
Oder noch schlimmer: Wusste und wollte sie es so?— Argo Nerd (@argonerd) October 24, 2024
„REspect“ wird seit Anfang Oktober von der Bundesnetzagentur als „Trusted Flagger“ geführt. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (Grüne) hatte Anfang Oktober noch versprochen, daß sich die „Trusted Flagger“ ausschließlich auf illegale Inhalte konzentrieren würden. „Plattformen und Dienste behandeln gemeldete Inhalte auf Grundlage der geltenden Gesetze und ihrer Nutzungsbedingungen“, betonte der Politiker.
Zuvor hatte unter anderem der Zeit-Journalist Jochen Bittner Müller vorgeworfen, sich hinsichtlich der Inhalte, die von „Trusted Flaggern“ gelöscht werden sollten, unklar auszudrücken. So wurde in einer Pressemitteilung der Bundesnetzagentur davon gesprochen „Haß und Fake News“ unabhängig von „illegalen Inhalten“ entfernen zu wollen. Auch der Rechtsanwalt Carsten Brennecke, sowie der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner wiesen auf die Gefahr hin, die sich durch die unklaren Formulierungen der Behörde für die Meinungsfreiheit ergeben.
Behörde ändert Text
Nachdem Bittner darauf hinwies, daß diese Formulierung die Löschung legaler Inhalte impliziere – womit die staatliche Unterstützung der „Trusted Flagger“ verfassungswidrig sei – änderte die Bundesnetzagentur die Pressemitteilung. Mittlerweile ist dort von „illegalen Inhalten, illegalem Haß und illegalen Fake News“ die Rede.
Lieber Herr @Klaus_Mueller, der Satz
„Illegale Inhalte, Hass und Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden.“
ist offenkundig verfassungswidrig, denn er bedeutet, dass neben illegalen Inhalten auch legale Inhalte entfernt werden können.
Sie und… https://t.co/C0qei5bXhr
— Jochen Bittner (@JochenBittner) October 6, 2024
Bei „Trusted Flaggern“ handelt es sich um Organisationen, die in allen EU-Ländern von entsprechenden Ministerien zugelassen werden, um Inhalte in sozialen Netzwerken wie Facebook, X oder Instagram zu melden. Die Plattformen sind dazu verpflichtet, diese Inhalte vorranging zu überprüfen und gegebenenfalls zu löschen.
„REspect“ fordert zur Meldung legaler Inhalte auf
Im Februar hatte Familienministerin Lisa Paus (Grüne), deren Behörde „REspect“ über das „Demokratie Leben!“-Programm mitfinanziert, eine Studie zum Phänomen „Haß im Netz“ vorgestellt und dabei betont, sie wolle mit ihrer Arbeit „dem Umstand Rechnung tragen, daß Haß im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt“. Sogenannte „Feinde der Demokratie“ wüßten genau, „was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt“.
Und auch die Mitarbeiter von „REspect“ hatten in einem Video deutlich gemacht, sich nicht ausschließlich auf illegale Inhalte konzentrieren zu wollen. Auch die Meldung nicht-strafbarer Inhalte sei „sehr wichtig. Nicht nur für die Statistik, sondern ganz besonders für die Veränderung von Gesetzen“. (lb)