Ender Cetin sieht sympathisch und gebildet aus, ist in Berlin geboren, studierter Erziehungswissenschaftler. Er kleidet sich westlich, spricht perfektes Deutsch. Ein Vorzeige-Moslem, wie er im Buche steht. Dieser Ansicht war man auch im politischen Berlin, das Cetin hofierte. Er trifft sich mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und wirbt in der Hauptstadt zusammen mit einem Rabbiner für interkulturelle Toleranz. Doch nun bekommt das schöne Bild dunkle Flecken. Doch von vorne.
Im vergangenen September nimmt Cetin sein Zertifikat für die Imamausbildung am Islamkolleg (IKD) in Osnabrück entgegen. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff ist anwesend und bezeichnet das Ereignis als „historischen Tag“. Auch andere hochrangige Politiker trafen sich mit Cetin und zeigten sich öffentlich mit ihm – darunter auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Die Imamausbildung in Osnabrück ist die erste von der Bundesregierung – genauer gesagt vom Bundesinnenministerium und dem Land Niedersachsen – finanzierte religiöse Ausbildung für Muslime. Der Gedanke: Wenn der deutsche Staat die Ausbildung muslimischer Geistlicher organisiert und finanziert, wird ausländischen islamistischen Organisationen wie etwa die dem türkischen Staat unterstehende Religionsbehörde Ditib der Wind aus den Segeln genommen und ein liberaler, mit dem Grundgesetz vereinbarer „Euro-Islam“ unterstützt.
Doch jetzt, genau neun Monate später, ist der 48jährige wegen etwas anderem Gesprächsthema. Beim Fanmarsch der Türken vor dem EM-Spiel gegen die Niederlande wird er gefilmt. Cetin trägt ein schwarzes T-Shirt mit alttürkischen Runen, einem weißen Halbmond und einem Stern, wie die Bild-Zeitung berichtete. Die Symbole auf dem Shirt gelten als Erkennungssymbol der Grauen Wölfe – laut Verfassungsschutz die größte rechtsextreme Organisation Deutschlands.
Cetin: Habe von Graue Wölfe-Symbolik nichts gewußt
Cetin selbst bestätigt auf Anfrage des Boulevardblattes, die Person aus dem Video zu sein. „Mir ist bewußt, daß mein T-Shirt den Aufkleber ‚Türk‘ mit der alten türkischen Schrift hat. Das gehört zu meinem Interessengebiet in der Forschung. Das ist von mir in keiner Weise in irgendeiner Form politisch oder extremistisch zu interpretieren.“ Es tue ihm leid, daß mit dem Kleidungsstück „ein solches Mißverständnis entstanden ist“.
Zudem gibt er sich gegenüber dem Tagesspiegel unwissend über die Botschaft seines Shirts. „Daß diese Symbolik mit den Grauen Wölfen assoziiert wird, war mir nicht bewußt. Ich betone, daß ich nichts mit rechtsradikalen Strömungen zu tun habe.“
Innenministerium will Auswahlverfahren prüfen
Der wissenschaftliche Leiter des Islamkollegs, von dem Cetin sein Zertifikat erhielt, hält das für zweifelhaft, betonte gegenüber dem Tagesspiegel jedoch: „Wir bemühen uns sehr um eine sorgfältige Auswahl der Personen, die am Islamkolleg ausgebildet werden. Bislang sind es um die 150 bis 200 – da kann es durchaus vorkommen, daß wir nicht alles von einem Menschen wissen.“
Was sagt das Bundesinnenministerium zu der Sache? Auf Nachfrage des Tagesspiegels kündigt ein Sprecher an, künftig die Teilnehmer, aber auch die Inhalte des IKD prüfen zu wollen. Auch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur verspricht auf Nachfrage der Zeitung Veränderungen. Ein Sprecher sagte, die Behörde werde „in einem nächsten Projekttreffen erörtern, ob der Auswahlprozeß der Kollegiatinnen und Kollegiaten und das Curriculum anzupassen oder zu erweitern sind“.