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Ukraine-Krieg: Ein Leopard bringt noch keinen Sieg

Ukraine-Krieg: Ein Leopard bringt noch keinen Sieg

Ukraine-Krieg: Ein Leopard bringt noch keinen Sieg

Ein Kampfpanzer Leopard 2 nimmt an einer Heeresübung tei
Ein Kampfpanzer Leopard 2 nimmt an einer Heeresübung tei
Ein Kampfpanzer des Typs Leopard 2 bei einer Heeresübung Foto: picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg
Ukraine-Krieg
 

Ein Leopard bringt noch keinen Sieg

Deutschland wird Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern. Aus technischer Sicht handelt es sich um ein überlegenes Waffensystem, doch Technik und Waffen alleine entscheiden nicht über Sieg und Niederlage.
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Nach langem Zögern und Ringen ist die Bundesregierung bereit, Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern. Unverzüglich nach der Bekanntgabe der Entscheidung, verkündeten EU-Partner und Nato-Verbündete, die das deutsche Waffensystem ebenfalls nutzen, daß auch sie den Leopard 2 in geringen Stückzahlen an die im Kampf befindlichen ukrainischen Streitkräfte abgeben werden. Das Sahnehäubchen kommt aus den USA, wo man zusätzlich den M1 Abrams bereitstellen will.

Der Leopard 2 und auch sein Vorgängermodell, Leopard 1, bringen entscheidende Vorteile mit. Deutschlands internationaler Ruf, der sich auch aus den Erfolgen der deutschen Panzertruppen im Zweiten Weltkrieg speist, ist nur eines der Verkaufsargumente für den Leopard. Doch bei aller Euphorie für deutsche Technik und Wertarbeit sollten die Ukraine und ihre Verbündeten ihre Erwartungen zügeln. Eine Wunderwaffe ist der Panzer nämlich nicht.

Der Leopard 2 ist ein Kampfpanzer aus deutscher Fertigung und ein Produkt des Kalten Krieges. Noch in den späten 70ern ging er in die Serienproduktion beim Hersteller Krauss-Maffei Wegmann. Insgesamt wurden etwa 3.600 solcher Panzer gebaut. Knapp 2.100 davon erhielt die Bundeswehr, die in ihrer Hochphase in den 80ern mit einem gewaltigen Heer von bis zu zwei Millionen Mann (Reservisten eingerechnet) in der Mitte Europas den sowjetischen Panzerspitzen und Mot.-Schützenbataillonen hätte begegnen sollen.

Technisch ist der Leopard 2A6 ein überlegenes Waffensystem

Der Leopard 2 erwies sich als internationaler Verkaufsschlager und setzte sich bei Wettkämpfen und wehrtechnischen Tests verschiedener Streitkräfte immer wieder gegen den amerikanischen M1 Abrams durch. Mit seiner modernen Kompositpanzerung, die vor allem im Frontbereich angebracht ist, gilt er als gut geschützt. Mit etlichen Kampfwertsteigerungen und neuen Modellvariationen seit den 80ern, existieren jedoch erhebliche Unterschiede zwischen einem unveränderten Leopard 2, der vor über 40 Jahren vom Fließband rollte und solchen, die vor einigen Jahren erst aufgerüstet und verbessert wurden.

So besitzt der von der Bundeswehr momentan genutzte Leopard 2A6 eine verbesserte 120-mm-Glattrohrkanone L/55 von Rheinmetall, die 25 Prozent länger ist als die ursprüngliche Kanone, die damit auch weiter schießt. Mit einer höheren Mündungsgeschwindigkeit erlaubt diese eine bessere Durchschlagsfähigkeit und wirkt damit auch gegen modernste Panzerungen russischer Pendants. Anders als etliche sowjetische Panzermodelle erlaubt der Leopard 2 einen Schwenkbereich der Hauptwaffe von 360 Grad und eignet sich daher auch zum Kampf im urbanen Gelände.

Nötig hat er das jedoch nicht. Ziele bis maximal vier bis fünf Kilometern Entfernung werden von seinen Ziel- und Wärmebildgeräten schnell erfaßt und können so präzise bekämpft werden. Die technische Überlegenheit des Leopards 2A6 gegenüber russisch-sowjetischen T72, T-80 und auch T-90, dürfte kaum abzustreiten sein. Mit den Details seiner Konfigurationen im Vergleich zu anderen Panzern lassen sich Bücher füllen. Fest steht, daß der modernste deutsche Kampfpanzer ein beliebtes und vielfach exportiertes Modell ist, das von etlichen Nationen auf der Welt, aber vor allem in Europa genutzt wird.

Der Fairness halber sollte jedoch erwähnt werden, daß russische Kampfpanzer, vor allem moderne Modelle wie die T-90 Varianten, durchaus von Fachleuten als technisch ebenbürtig gegenüber dem Leopard 2 A4 oder dem älteren Abrams eingestuft werden. Auch der viel gelobte M1 Abrams der Amerikaner kommt bei seiner Hauptbewaffnung ohne deutsche Technik nicht aus. Allzu große Unterschiede bestehen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit bei M1 Abrams und Leopard 2 im Grunde nicht.

Logistische Vorteile und Nachschub in Europa?

Der Ruf der Ukraine nach gerade deutschen Leopard 2 dürfte in seiner Verfügbarkeit in Europa begründet sein. Etliche europäische Staaten, darunter Norwegen, Portugal, Finnland, Polen und andere nutzen ihn in seinen verschiedenen Ausführungen. Ersatzteile, Wartungsanlagen und Munition sind also in unmittelbarer Nähe, nämlich in Polen, dem Baltikum und wenn nötig in Deutschland vorhanden.

Leopard-2-Bestände der Nato-Staaten
Foto: picture alliance/dpa Grafik | dpa-infografik GmbH

Die logistische Infrastruktur steht, was es der Ukraine möglich macht, beispielsweise komplizierte Reparaturen nach Polen auszulagern. Es spricht also diesbezüglich einiges dafür, den Leopard 2 dem Abrams vorzuziehen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich hält sich der hartnäckige Mythos, der von angloamerikanischen Medien wiederholt wird, daß der M1 Abrams für die Ukraine nicht geeignet sei, weil sein Gasturbinenantrieb mit Kerosin betrieben werden müsse.

Ein eigenes logistisches Netzwerk sei nötig, um diese Panzer zu versorgen. Dabei kann der M1 durchaus auch mit anderen Treibstoffen fahren und ist dahingehend ähnlich flexibel wie der Leopard 2. Auch stünde der Abrams in gewaltigen Stückzahlen zur Verfügung. Außerdem befinden sich mehrere Panzer des Typs bereits in Depots in Europa. Das logistische Netzwerk der USA ermöglicht es der Supermacht relativ problemlos, große Mengen an Kriegsmaterial auch schnell über den großen Teich zu bringen.

Daß man zuerst die Deutschen vorgeschickt hat, mag also andere Gründe haben. Und obwohl sich die Bestände älterer Sowjetpanzer in den Depots und Streitkräften ehemaliger Staaten des Warschauer Paktes langsam leeren, sind hier längst noch nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft. Die Ukraine könnte auf die Lieferung von polnischen PT-91 Twardy, eigens umgebauten Kampfpanzern auf Basis des sowjetischen T-72, bestehen.

Diese kampfwertgesteigerten Panzer sollten den Ukrainern vertraut sein und ihre Lieferung wurde bereits von Polen in Aussicht gestellt. Auch gäbe es annähernd 100 Leopard 1A5 Kampfpanzer, Vorgänger des Leopard 2, der in seiner A5-Version durchaus noch mit den meisten derzeit von den Russen eingesetzten Panzern mithalten kann oder wenigstens eine Entlastung an anderen Fronten geben könnte.

Auf die Ausbildung und die Taktik kommt es an

Bei aller Euphorie über deutsche Kampfpanzer sollte nicht vergessen werden, daß man mit Technik und Waffen alleine keinen Kampf gewinnt. Der Leopard 2 ist keine unverwundbare Superwaffe, sondern lediglich ein guter Panzer und damit im Krieg ein Verbrauchsgut. Es kommt sehr darauf an, wie gut die ukrainischen Soldaten ausgebildet werden und wie ihre Kommandeure den Panzer einsetzen. Gerade die leichte Verfügbarkeit von Panzerabwehrwaffen und Artillerie zeigt, daß die Verwundbarkeit von falsch eingesetzten Panzern hoch ist.

So verlor die Türkei bei ihrem Einmarsch in Syrien vor einigen Jahren etliche Leopard 2 Panzer durch infanteristische Panzerabwehrwaffen. Allem Anschein nach hatte man die Panzer ohne Unterstützung mechanisierter Infanterie alleine vorausgeschickt und als gut sichtbare Ziele abgestellt, wo sie im Gelände von feindlichen Infanterieeinheiten flankiert und zerstört wurden. Kanada hingegen machte gute Erfahrungen mit dem Leopard 2 in Afghanistan und lobte seine mannigfaltigen Qualitäten.

Letztlich darf der Leopard 2 nicht zur glorifizierten Artilleriestellung genutzt werden, sondern sollte gemäß deutscher Doktrin im Gefecht der verbundenen Waffen zum Einsatz kommen. Etwas, was die Ukrainer sich in den letzten Monaten und Jahren angeeignet haben und immer besser beherrschen. Auf der anderen Seite zeigt sich gerade bei den hohen Verlusten der russischen Panzerflotte, dass Masse und teils gute Panzer alleine keinen Sieg versprechen. Fehlende Koordination auf dem Schlachtfeld, schlechte Ausbildung der Panzersoldaten und die falsche Taktik im Gefecht können durch überlegene Panzer auch nicht ausgeglichen werden. Erneut kann nur davor gewarnt werden, mit dem Einsatz der Leopard 2 oder M1 Abrams oder ähnlicher westlicher Waffen einen unmittelbaren und totalen Sieg der Ukraine am Horizont zu sehen.

Ein Kampfpanzer des Typs Leopard 2 bei einer Heeresübung Foto: picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg
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