ERFURT. Die Behauptung des Thüringer Landesverfassungsschutz-Chefs, Stephan Kramer, laut der jeder fünfte Bürger „brauner Bodensatz“ ist, könnte ein juristisches Nachspiel haben. Der Fraktions- und Landesvorsitzende der AfD in Thüringen, Björn Höcke, erstattete nach eigenen Angaben Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Kramer.
Laut Gesetz mache sich strafbar, „wer gegen Teile der Bevölkerung zum Haß aufstachelt und die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er eine vorbezeichnete Gruppe beziehungsweise Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“, sagte Höcke. Die Äußerungen Kramers seien „ein eindeutiger Verstoß“ gegen die geltende Rechtslage.
Nicht nur die AfD äußert Kritik
Hintergrund ist ein Interview des Verfassungsschützers Kramer mit NDR Info, wo dieser den Wahlerfolg des AfD-Politikers Robert Sesselmann bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg kommentierte. „Wir sind bei ungefähr zwanzig Prozent braunen Bodensatz in der Bundesrepublik“, behauptete Kramer in dem Interview. Damit sind AfD-Wähler gemeint, deren Anteil nach aktuellen Umfragen etwa bei zwanzig Prozent liegt.
Auch die AfD-Bundestagsfraktion äußerte Kritik: „In einer funktionierenden Demokratie wäre ein solcher Behördenleiter längst entlassen worden“, empörte sich der Thüringer Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner. Wer es nötig habe, „Wähler, die zurecht Angst um ihre Existenz, ihr Haus, ihre Arbeitsstelle oder ihren Wohlstand haben, als ‚braunen Bodensatz‘ zu beschimpfen“, zeige damit, „wes Geistes Kind er ist“.
Kramer verteidigt Äußerungen
Die AfD steht mit ihrem Unmut nicht allein da. Auch der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) zeigte sich ob der Äußerungen Kramers „irritiert“. Derartige „pauschale Ausgrenzungen“ von Bürgern könnten „schnell Wasser auf die Mühlen der AfD sein“. In der Partei werde man „sich zufrieden die Hände reiben, wenn staatliche Institutionen verkünden, ein Fünftel der Bevölkerung ohnehin abgeschrieben zu haben“.
Thüringens Verfassungsschutzchef Kramer zeigt sich unterdessen unbeeindruckt von der Empörung. „Die Aussage ist zugegeben provokant und pointiert, aber so war sie auch gemeint“, sagte Kramer der FAZ. Er habe damit auch auf angebliche Anfeindungen der AfD reagieren wollen. „Jenseits der klassischen Definition für Rechtsextremismus ist ein größerer Teil der Bevölkerung als wir denken auf problematischen Wegen unterwegs“, rechtfertigte der Geheimdienstler seine Beschimpfung. (JF)