Anzeige
Anzeige

Generalbundesanwalt schweigt: Was fanden 3.000 Polizisten bei der Reichsbürger-Razzia wirklich?

Generalbundesanwalt schweigt: Was fanden 3.000 Polizisten bei der Reichsbürger-Razzia wirklich?

Generalbundesanwalt schweigt: Was fanden 3.000 Polizisten bei der Reichsbürger-Razzia wirklich?

Polizisten durchsuchen in ganz Deutschland Objekte der Reichsbürger-Szene und nehmen viel Material mit
Polizisten durchsuchen in ganz Deutschland Objekte der Reichsbürger-Szene und nehmen viel Material mit
Razzia in Berlin: Was fanden die Ermittler? Foto: picture alliance / EPA | FILIP SINGER
Generalbundesanwalt schweigt
 

Was fanden 3.000 Polizisten bei der Reichsbürger-Razzia wirklich?

36 Stunden nach der größten Razzia in der Geschichte der Bundesrepublik verdichten sich die Hinweise, daß die Ermittler offenbar nicht die erwarteten Waffenarsenale gefunden haben. Die Generalbundesanwaltschaft schweigt sich aus. Zweifel machen sich breit.
Anzeige

Die größte Razzia in der Geschichte der Bundesrepublik schlägt weiter hohe Wellen. Mehr als 3.000 Polizisten durchsuchten am Mittwoch mehr als 150 Objekte in ganz Deutschland. 27 Personen wurden festgenommen, gegen weitere 25 wird ermittelt. Sie sollen einen umfangreichen Staatstreich geplant haben und sollen sich mit Waffen versorgt haben. Doch was fanden die Ermittler in der bisher einmaligen Großaktion eigentlich?

Laut dem Bundeskriminalamt wurden in 50 der 150 durchsuchten Objekte Waffen gefunden. Das klingt nach einem hohen Gefährdungspotential, sagt allerdings recht wenig aus. Als „Waffen“ galten bei vergleichbaren Großaktionen in der Vergangenheit auch Baseball-Schläger, Schweizer-Taschenmesser oder Schlagringe. Es macht eben einen Unterschied, ob die Behörden Maschinengewehre und Schußwaffen finden oder Messer, die es im Zweifel in jedem Haushalt gibt. Für den angeblich geplanten Militärputsch bräuchte es wohl mehr als eine Handvoll Küchenmesser.

Generalbundesanwalt will nichts sagen

Die JUNGE FREIHEIT schickte dem Generalbundesanwalt deswegen einen umfangreichen Fragekatalog, was für Gegenstände beschlagnahmt wurden, wie viele Schußwaffen sich darunter befinden und welche davon illegal sind. Daß die Behördenleitung das intern nicht weiß, kann angesichts des Umfangs der Razzia und der Bedeutung, die ihr das Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) zumißt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Auf die JF-Anfrage will die Generalbundesanwaltschaft allerdings nicht antworten: Eine Sprecher bat „um Verständnis, daß wir uns derzeit zu den bei den – im Übrigen noch nicht abgeschlossenen –  Durchsuchungsmaßnahmen aufgefundenen Asservaten derzeit nicht äußern“. Warum man sich dazu äußert und wann die Öffentlichkeit transparent informiert wird, ist offenbar völlig unklar. Zur Erinnerung: Faser sprach von einem „Abgrund terroristischer Bedrohung“.

Das sind starke Worte in einem Land, in dem die RAF in den siebziger Jahren mordend durch die Republik zog und in dem ein Islamist mit einem LKW 2016 auf einer Amokfahrt auf einem Berliner Weihnachtsmarkt zwölf Menschen ermordete und Dutzende weitere verletzte. Wäre es nicht in Faesers Interesse, ihre markigen Worte schnell mit Fakten zu unterlegen? Oder wurden doch keine Waffenarsenale gefunden?

Dienstwaffe gefunden

Laut der Welt sei bislang „eine scharfe Schußwaffe“, Schreckschußwaffen, Prepper-Vorräte und Tausende Euro Bargeld gefunden worden. Das klingt nach einer eher mageren Ausbeute, zumal „tausende Euro“ bei 150 durchsuchten Häusern ebenfalls kein Indiz für die Bildung einer Terrorgruppe sein müsse. Vor allem weil das Innenministerium selbst angesichts der Blackout-Gefahr dazu aufruft immer Bargeld zu Hause zu haben.

Ähnliches gilt für vermeintliche „Prepper-Vorräte“. Die Bundesregierung empfiehlt den Bürgern, sich umfangreich für Notfälle zu wappnen. Wo endet also Krisenvorsorge und wo beginnt vermeintliches „Preppen“? Ein Parlament läßt sich nicht mit Schreckschußwaffen stürmen.

Etwas umfangreicher sollen heute die Obleute des Innenausschusses im Bundestag informiert worden sein. Laut Medienberichten sollen zwei Gewehre, eine Pistole sowie Schwerter, Schreckschuss- und Signalschusswaffen beschlagnahmt worden sein. Darunter allerdings auch Dienstwaffen von beschuldigten Polizisten. Ob es darüber hinaus waffenrechtliche Erlaubnisse für die anderen Waffen gab, ist noch nicht bekannt.

Immer mehr Medien beginnen zu zweifeln

In den Medien wachsen derweil die Zweifel, ob die Rekordrazzia wirklich angemessen war. So schreibt der Chefredakteur des Cicero, Alexander Marguier, bereits am Mittwoch:

„Ich habe heute mit etlichen Kollegen aus anderen Medien gesprochen – auch solcher Medien, die bei der überschäumenden Umsturzplan-Berichterstattung ganz vorne mit dabei waren. Unisono (und natürlich nur im Vertrauen) hieß es: Uns kommt das alles auch völlig übertrieben vor, aber wenn die Konkurrenz so dramatisch reagiert, können wir die Sache nicht auf kleiner Flamme kochen.“

Die Welt-Reporterin Anna Schneider sprach auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von einer „äußerst eigenartige Hysterie und In-Szene-Setzung dieses Spektakels“.

Der ehemalige Leiter des Parlamentsbüros der Bild-Zeitung, Ralf Schuler, schrieb auf dem sozialen Netzwerk, er könne nur hoffen, daß die Verantwortlichen der „Riesen-Razzia“ auch beweise für den angeblichen Putschversuch vorlegen.

Daß zahlreiche Medien offenbar schon seit einiger Zeit über die Razzien informiert wurden, kann angesichts der Tatsache, daß diese mit Kamerateams pünktlich mit den Einsatzkommandos eintrafen, als bewiesen gelten.

„Organisierte Medienbegleitung“

Die NZZ bemerkt dazu: „Der historische Großeinsatz und die flankierende Medienberichterstattung werfen Fragen auf.“ Weiter schreibt die Autorin Susanne Gaschke:

„Im politischen Berlin war seit Tagen zu hören, es sei ‘eine große Sache im Busch’. Manche Medien wußten offensichtlich von den bevorstehenden Razzien und Verhaftungen, denn viele Redaktionen veröffentlichten fast zeitgleich – wie nach einer Sperrfrist – umfangreiche Berichte zu der eigentlich doch ganz neuen Eilmeldung.“

Sie hält die „organisierte Medienbegleitung der Einsätze“ grundsätzlich für problematisch: „Weil sie entweder ein unkalkulierbares Risiko für das Gelingen der ganzen Aktion hätte bedeuten können. Oder aber weil sie anzeigt, daß die Sache doch noch nicht so brandgefährlich war. Im letzteren Fall könnte der Eindruck entstehen, es gehe hier vor allem – oder auch – um eine politische Public-Relations-Übung.“

Wird jetzt wegen Geheimnisverrat ermittelt?

Der Tagesspiegel berichtet heute in aller Offenheit selten sei „ein derart großer Personenkreis vorher eingeweiht“ gewesen. Und weiter:

„Im Normalfall werden die Pläne für Durchsuchungen lediglich an eine Handvoll Journalisten durchgestochen, die sich in ihrer Arbeit explizit mit Sicherheitsthemen auseinandersetzen. Dazu kommt, daß die Informationen über die „Reichsbürger“-Razzia auch in politische Kreise durchgedrungen sind – und das ungewöhnlich früh.“

Laut Informationen des Blattes, „wurde sich im politischen Berlin bereits vergangene Woche hinter vorgehaltener Hand über den anstehenden Schlag gegen das rechte Extremisten-Netzwerk ausgetauscht“. Selbst einer der Verdächtigten könnte Wind von der Sache bekommen haben.

Die JUNGE FREIHEIT fragte die Generalbundesanwaltschaft deswegen auch an, wie die Journalisten an die Geheiminformationen kamen und ob wegen Geheimnisverrats ermittelt werde. Eine Antwort steht noch aus. Wie auf viele andere Fragen in dem Zusammenhang. Die Bundesregierung wäre gut beraten, die Informations-Dunkelflaute schnell zu beenden.

Razzia in Berlin: Was fanden die Ermittler? Foto: picture alliance / EPA | FILIP SINGER
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag