BERLIN. Bei einer deutschlandweiten Großrazzia gegen sogenannte Reichsbürger haben mehr als 3.000 Polizisten sm Mittwoch morgen insgesamt mehr als 130 Objekte durchsucht und 25 Personen festgenommen.
Der Generalbundesanwalt wirft ihnen und weiteren Beschuldigten vor, einen Staatsstreich geplant zu haben: „Die festgenommenen Beschuldigten gehören zu einer spätestens Ende November 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen.“
Dabei seien auch politische Morde geplant gewesen. Unter den Festgenommenen befinden sich unter anderem ehemalige Bundeswehrsoldaten, die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann und Prinz Heinrich XIII. Reuß, Mitglied eines alten Adelsgeschlecht aus Thüringen.
Anhänger wollten angeblich mit Siegermächten verhandeln
„Die Beschuldigten verbindet eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die im Laufe der Zeit bei ihnen den Entschluß hat wachsen lassen, sich an ihrer gewaltsamen Beseitigung zu beteiligen und hierfür in konkrete Vorbereitungshandlungen einzutreten“, heißt es vom Generalbundesanwalt.
Wie die Ermittler weiter mitteilten, folgten die Festgenommenen „einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sogenannten Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie“. Sie sind der festen Überzeugung gewesen, „daß Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogennanten ‘Deep State’ regiert wird.“ Künftige Mitglieder sollten mittels „Sehern“ darauf geprüft werden, ob sie Chips von Bill Gates implantiert bekommen hätten.
Die Anhänger sollen vom „unmittelbar bevorstehenden Einschreiten der ‘Allianz’, eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika“ ausgegangen sein.
Rekrutierung von Polizisten geplant
Konkret sollen Mitglieder der Gruppe unter anderem geplant haben, den Bundestag zu stürmen und eine Putschregierung zu installieren. Zuvor sollten Polizisten und Bundeswehrsoldaten für die Gruppe rekrutiert werden. Nach der gewaltsamen Machtübernahme sollte laut den Ermittlern eine „Übergangsregierung gebildet werden, die nach der Vorstellung der Vereinigungsmitglieder dem klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des 2. Weltkriegs verhandeln“ sollte.
In diesem Zusammenhang soll Prinz Heinrich XIII. Reuß, der als Staatsoberhaupt vorgesehen war, auch Kontakt zu Vertretern der Russischen Föderation aufgenommen haben. „Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, daß die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben.“
Faeser kündigt harte Gangart an
Laut dem Generalbundesanwalt waren die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe in einen zivilen und militärischen Flügel unterteilt. Während ein „Rat“ die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte, bei der die AfD-Politiker Malsack-Winkemann als Justizministerin fungieren sollte, sei die Aufgabe eines „Führungsstabs“ die „Beschaffung von Waffen“ und anderen Ausrüstungsgegenständen sowie der „Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur“ gewesen. Auch die „Durchführung von Schießübungen“ sei geplant gewesen.
Neben den 25 Festgenommenen, die Mittwoch und Donnerstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der dann über eine mögliche Untersuchungshaft entscheidet, wird gegen 27 weitere Beschuldigte ermittelt.
AfD: Haben volles Vertrauen in Behörden
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, die Ermittlungen ließen „in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken“. Die Sicherheitsbehörden würden gegen solche Bestrebungen mit allen Mitteln vorgehen. „Diese harte Gangart werden wir fortsetzen“, betonte Faeser.
Wir wehren uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie. Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung durch #Reichsbürger blicken. Ich danke den mehr als 3000 Polizeikräften von Bund und Ländern sehr für ihren heutigen gefährlichen Einsatz.
— Nancy Faeser (@NancyFaeser) December 7, 2022
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla teilten mit Blick auf die Festnahme von Malsack-Winkemann, die auch im Bundesschiedsgericht der Partei sitzt, mit: „Von dem Fall haben wir heute, wie die meisten Bürger auch, erst aus den Medien erfahren. Wir verurteilen solche Bestrebungen und lehnen diese nachdrücklich ab. Nun gilt es die Ermittlungen abzuwarten. Wir haben vollstes Vertrauen in die beteiligten Behörden und fordern eine schnelle und lückenlose Aufklärung.“ (ho)