KARSLRUHE. Das Bundesverfassungsgericht wird die gescheiterten Kandidaten der AfD für die Ausschußvorsitze im Bundestag nicht kommissarisch auf die Posten einsetzen. Die Karlsruher Richter lehnten damit den Antrag der AfD-Bundestagsfraktion ab und werden den Fall nun in der Hauptsache behandeln. Die JUNGE FREIHEIT erklärt den Hintergrund und die Folgen des Urteils.
Hintergrund: Den Fraktionen im Bundestag stehen laut der Geschäftsordnung eine bestimmte Zahl von Ausschußvorsitzenden zu. Die AfD hatte Anspruch auf die Gremien für Inneres und Heimat, Gesundheit sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu erhoben. Bei allen drei Ausschußwahlen beantragten die Regierungsfraktionen eine geheime Wahl, bei der die AfD-Kandidaten durchfielen. Dagegen klagten diese vor dem Bundesverfassungsgericht. Aktuell werden die Gremien von den stellvertretenden Vorsitzenden geleitet.
Wie argumentiert die AfD-Bundestagsfraktion: Die AfD sieht sowohl einen Verstoß gegen das im Grundgesetz geregelte Mitwirkungsrecht der Opposition sowie die Geschäftsordnung des Bundestags.
Hauptsacheverfahren steht noch aus
Wie begründet Karlsruhe den Beschluß? Die Richter argumentierten, es sei nicht ersichtlich, daß die AfD durch die „einstweilige Vorenthaltung der Ausschußvorsitze daran gehindert wäre, an der politisch-parlamentarischen Willensbildung im engeren Sinn in den betroffenen Ausschüssen mitzuwirken“. Eigenständige Kontrollrechte seien mit dem Vorsitz nicht verbunden.
Zudem würde es die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Gremien erschweren, wenn das Verfassungsgericht Kandidaten als Vorsitzende einsetze, die offensichtlich nicht das Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder besäßen. Dies wiederum könne sich auch auf die Arbeit des gesamten Bundestages negativ auswirken. Das oberste Gericht gab zudem zu bedenken, daß es das grundgesetzlich geschützte freie Mandat der Ausschußmitglieder beeinträchtigen würden, sollten die Richter an der Geschäftsordnung des Bundestags vorbei, Kandidaten kommissarisch ernennen.
Allerdings verwiesen die Richter darauf, daß eine Verletzung der Rechte der AfD nicht von vorneherein ausgeschlossen sei. Deswegen werde im Hauptsacheverfahren nun geprüft, ob die in der Geschäftsordnung geregelte Wahl der Ausschußvorsitzenden im Widerspruch zu deren grundgesetzlich verbürgten Mitwirkungsrechten stehe. „Vor diesem Hintergrund kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, ob darüber hinaus auch eine Verletzung der behaupteten Rechte der Antragstellerin auf effektive Opposition sowie auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung in Betracht kommt.“
AfD äußert heftige Kritik
Was bedeutet das konkret? Bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren werden die Ausschüsse auch weiter von den stellvertretenden Vorsitzenden der anderen Fraktionen geführt.
Was sagt die AfD dazu? „Heute ist mal wieder ein schlechter Tag für die parlamentarische Demokratie“, kritisierte der Justitiar der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner. Die AfD werde weiter „mit unlauteren Mitteln ausgegrenzt“. Die anderen Fraktionen bereicherten sich an den der AfD zustehenden Ausschußvorsitzenden „indem sie unter anderem die zugehörigen Räume im Bundestag sowie die Leitungsplätze auf Delegationsreisen für sich selbst übernehmen“, monierte Brandner. „Unverständlich bleibt, warum das Bundesverfassungsgericht für das Eilverfahren fast sechs Monate brauchte und nicht diese Zeit bereits für das Hauptsacheverfahren genutzt hat.“ (ho)