Florian Schmidt ist sauer. „Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten ist ein herber Schlag im Kampf gegen die Spekulation mit Wohnraum und gegen die Verdrängung von Menschen aus ihrer Nachbarschaft“, twitterte der Grünen-Politiker am Dienstag abend. Auch Berlins Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linkspartei) zeigte sich „fassungslos“. Der Beschluß sei „eine Katastrophe, nicht nur für die Mieter in Berlin, sondern bundesweit“.
Zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, daß die Berliner Regelung, beim Erwerb von Grundstücken und Immobilien aus Gründen des Milieuschutzes ein Vorkaufsrecht auszuüben, teilweise rechtswidrig ist. In dem vor Gericht verhandelten Fall ging es um das Vorgehen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg, dessen Baustadtrat Florian Schmidt heißt.
1/2 Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten ist ein herber Schlag im Kampf gegen die Spekulation mit Wohnraum und gegen die Verdrängung von Menschen aus ihrer Nachbarschaft https://t.co/3XNlMMaUAV
— Florian Schmidt (@f_schmidt_BB) November 9, 2021
Senator Scheel zum Urteil der BVerwG zum #Vorkaufsrecht: "Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lässt mich fassungslos zurück. Das Gericht nimmt den Kommunen so fast gänzlich die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten auszuüben. 1/2
— Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (@SenSWBerlin) November 9, 2021
2017 hatte das Bezirksamt eingegriffen, als eine Immobilienfirma ein Haus mit 20 Wohnungen erwerben wollte. Schließlich übernahm ein landeseigenes Unternehmen das Gebäude. Der Bezirk begründete sein Vorgehen damit, daß die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gewährleistet werden solle und daß nach Ende der Mietpreisbindung Zinserhöhungen drohen oder Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden könnten.
Link-grüne Politiker trifft die Entscheidung hart
Das Immobilienunternehmen klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht, scheiterte jedoch. Dasselbe passierte vor dem Oberverwaltungsgericht. Die Gerichte begründeten ihre Urteile mit dem Wohl der Allgemeinheit und den zu erwartenden Umwandlungen der Wohnungen und Mietsteigerungen.
Das Bundesverwaltungsgericht hob die Entscheidungen jedoch auf. Das Bezirksamt durfte demnach nicht eingreifen. Die reine Annahme, ein Käufer, in diesem Fall die Immobilienfirma, könnte in einigen Jahren gegen die Ziele des Milieuschutztes verstoßen, reicht nicht aus, um das Vorkaufsrecht auszuüben.
Gerade links-grüne Politiker wie Schmidt trifft die Entscheidung hart. Schließlich etablierte sich das Vorkaufsrecht in den vergangenen Jahren zu einem mächtigen Instrument für all jene, die den Wohnungsmarkt stark regulieren oder gleich ganz in staatliche Hände legen wollen.
Für die Opposition ist der Beschluß hingegen ein gefundenes Fressen. Schließlich ist es nicht das erste Mal, daß eine Berliner Praxis in der Wohnungspolitik vor einem Bundesgericht scheitert. Im Frühjahr hatte das Bundesverfassungsgericht den sogenannten Mietendeckel für grundgesetzwirdrig erklärt. Die Erarbeitung, Einführung und Umsetzung des Gesetzes zur Mietenbegrenzung kostete den Steuerzahler Millionen Euro.
Schmidt setzt Hoffnung auf Ampel-Koalition
„Nach dem Mietendeckeldesaster ist der Paukenschlag aus Leipzig die nächste Totalblamage für Rot-Rot-Grün. Wer so vorgeht, schadet Mietern, anstatt sie zu unterstützen. SPD, Linke und Grüne haben jede Glaubwürdigkeit in der Mietenpolitik verloren“, kommentierte Berlins CDU-Fraktionschef Kai Wegner nun.
Die CDU dürfte nach der Entscheidung jedoch nicht so schnell profitieren. Bei der Abgeordnetenhauswahl vor einigen Wochen legten die rot-rot-grünen Regierungsparteien insgesamt zu, während die CDU stagnierte. Zudem entschied sich eine Mehrheit der Wähler für die Enteignung großer Immobilienunternehmen. Der nächste Urnengang findet in fünf Jahren statt.
Und Schmidt sieht in der möglichen Ampelkoalition im Bund die Hoffnung, sein geliebtes Vorkaufsrecht doch noch weiterhin nutzen zu können: „Der Bundesgesetzgeber muß schnell eine rechtliche Klarstellung vornehmen.“ Wie beim Mietendeckel kommt es auch hier nun tatsächlich auf die nächste Bundesregierung an.