Asylbewerber gehen unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in drei Fällen gegen das Auslesen ihrer Handydaten vor. Das Verwaltungsgericht Berlin gab vergangene Woche einer Afghanin recht, die dagegen geklagt hatte, daß das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu Beginn des Asylverfahrens die Daten auf ihrem Smartphone ausgelesen habe, ohne mildere Mittel zu prüfen.
Während die GFF von einem Urteil spricht, das „die gesamte Praxis der Handydatenauswertungen des Bamf in Frage“ stelle, kündigt die Behörde auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT an, an der Methode festzuhalten. „Das Bundesamt wird die bestehende Praxis der Auslesung von Mobiltelefonen, die auf einer klaren Rechtsgrundlage erfolgt und datenschutzrechtliche Vorgaben einhält, fortsetzen. Das Feststellen von Identität und Herkunft durch Auslesen von Mobiltelefonen bei Asylbewerbern, die keinerlei Identitätsdokumente vorlegen, ist von grundlegender Bedeutung für die Sicherheit unseres Landes und für die Richtigkeit von Asylentscheidungen.“
Handydaten von paßlosen Asylsuchenden über 14 dürfen ausgewertet werden
Das Berliner Urteil sei ein Einzelfall. Das Bamf werde die Möglichkeit einer Sprungrevision nutzen, womit der Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt wird. Dort, so schätzt die Behörde, werde die bestehende Rechtslage bestätigt. Die Auswertung von Handydaten bei der Prüfung von Asylanträgen ist seit einer Gesetzesverschärfung des Asylrechts vor vier Jahren bei paßlosen Asylsuchenden über 14 Jahren möglich.
Zuvor gestaltete sich die Überprüfung von Angaben solcher Migranten oft als schwierig. Seit September 2017 nutzt das Bamf verschiedene IT-Assistenzsysteme. „Sie unterstützen dabei, die Angaben der Antragssteller zu verifizieren und zu plausibilisieren: Durch das Auslesen mobiler Datenträger können – neben der Bild- und Sprachbiometrie sowie Namenstransliteration – zusätzliche Informationen gewonnen werden, mit der Asylentscheidungen auf eine breitere Grundlage gestellt werden können“, teilte ein Bamf-Sprecher auf Anfrage mit.
Bei Asylbewerbern ohne Paß- oder Ausweisdokumente könne das Mobiltelefon „die einzige oder jedenfalls eine wichtige Quelle für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit sein“. Die Überprüfung von Identität und Staatsangehörigkeit hätten „besonderes Gewicht, zum einen, weil dies Grundlage einer Entscheidung im Asylverfahren ist und zum anderen, weil die Prüfung von etwaigen Asyl- oder Aufenthaltsversagungsgründen oder sonstigen asylfremden Motiven auf die vorliegenden Erkenntnisse zur Identität – etwa im Rahmen eines Sicherheitsabgleichs – aufbaut“.
Im vergangenen Jahr 6.300 Mal ausgewertet
Das Berliner Gericht sah dies anders. Es geht davon aus, „daß das Auslesen der Datenträger zum Zeitpunkt der Antragsstellung im Asylverfahren rechtswidrig ist, weil es zur Feststellung der Identität und Herkunft nicht erforderlich ist“, wie es in einer Mitteilung der GFF hieß. Die Urteilsbegründung steht noch aus.
Daß die Datenanalysen der Smartphones von Flüchtlingen relevant ist, zeigen Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Fast 6.300 Mal werteten Bamf-Mitarbeiter „mobile Datenträge“ von Erstantragsstellern aus. Am häufigsten kamen die betroffenen Personen aus Syrien, Afghanistan und Irak, ergab im Mai eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag. In fast 30 Prozent der Fälle konnte die Identität der Asylbewerber bestätigt werden, in rund 69 Prozent gab es keine verwertbaren Ergebnisse. Und in zwei von 100 Fällen widerlegten die Beamten die Angaben der Migranten.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert derweil zwei weitere Klagen vor den Verwaltungsgerichten in Hannover und Stuttgart. Außerdem ist eine Beschwerde beim Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber offen. Über die Erfolgsaussichten bei den offenen Klagen hält sich die GFF auf Nachfrage bedeckt. Dazu wolle man sich nicht äußern.