RAUNHEIM. Die Stadt Raunheim hat als erste hessische Kommune den Muezzinruf zur dauerhaften Institution erhoben. Jeden Freitag darf der Muezzin bis zu vier Minuten lang zum Mittagsgebet rufen, im moslemischen Fastenmonat Ramadan sogar täglich, beschloß die Stadtverordnetenversammlung laut dem Hessischen Rundfunk Anfang der Woche.
Den beiden lokalen Moscheegemeinden war es seit Beginn der Corona-Pandemie zunächst auf zwei Jahre befristet erlaubt, per Muezzin zum Freitagsgebet zu rufen. Daß die Erlaubnis nun unbefristet verlängert wurde, ist dem Bericht zufolge einmalig in Hessen. „Somit werden die Muslime, die die größte Bevölkerungsgruppe in Raunheim stellen, den Christen gleichgestellt“, sagte Bürgermeister Thomas Jühe (SPD) dem Sender. 6.000 der 16.000 Einwohner sind Schätzungen zufolge Moslems. In der Stadt nahe des Frankfurter Flughafens leben 5.000 Christen.
Im Vergleich zu Köln habe es in Raunheim „nie ein Problem gegeben“, ergänzte Jühe. In der Stadtverordnetenversammlung seien sich alle einig gewesen. „Die Zustimmung zu diesem Antrag erfolgte über alle Parteigrenzen hinweg.“ Neben der zeitlichen Einschränkung dürfe der Muezzinruf die Lautstärke von 95 Dezibel nicht überschreiten, was ungefähr dem Lärm eines vorbeifahrenden U-Bahn-Zuges entspricht.
„Allah ist groß. Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Allah“
Köln hatte Anfang Oktober ein auf zwei Jahre befristetes Modellprojekt gestartet, wonach Moscheegemeinden beantragen können, ihre Gläubigen per Lautsprecher zum Freitagsgebet zu rufen. Mittlerweile hat eine erste Gemeinde einen Antrag gestellt, darüber hinaus gibt es rund ein Dutzend Interessensbekundungen.
Kritiker werfen Kölns Stadtregierung unter anderem vor, mit der Erlaubnis die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu unterstützen. Außerdem sei der Muezzinruf nicht mit dem Geläut von Kirchenglocken vergleichbar, weil im Muezzinruf verkündet wird: „Allah ist groß. Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Allah. Ich bezeuge, daß Mohammed Allahs Gesandter ist. Eilt zum Gebet.“
Anfang der Woche hatte sich der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Kanzleramtsminister Helge Braun, dafür offen gezeigt, mehr Muezzinrufe in Deutschland zu erlauben. Allerdings halte er eine „erneute Debatte zu dem Thema“ für „nicht zielführend“. (ls)