BERLIN. Vertreter iranischer Oppositionsgruppen haben die Bundesregierung aufgefordert, deutlicher auf Distanz zum Regime der Mullahs in Teheran zu gehen. Dazu gehöre, die Verfolgung, Inhaftierung und Folterung friedlicher Demonstranten auf das Schärfste zu verurteilen und wirtschaftlichen Druck auf die iranische Regierung auszuüben. „Wir erwarten richtige Unterstützung, nicht nur warme Worte“, sagte Erfan Kasraie, ein regimekritischer Wissenschaftsjournalist, der seit 2013 in Deutschland lebt.
Gemeinsam mit anderen Exil-Iranern trat Kasraie am Donnerstag als Gast der AfD-Abgeordneten Jürgen Braun und Petr Bystron im Bundestag auf. „Wir wollen damit Vertretern der iranischen freiheitlichen, demokratischen Opposition die Chance geben, ihr Anliegen vorzutragen“, begründete Jürgen Braun, Sprecher des Fraktions-Arbeitskreises Menschenrechte und humanitäre Hilfe, diese Einladung. Er betonte, die Gäste träten nicht als politische Partner der AfD auf und verträten ihre Meinung, nicht die seiner Partei. Es seien allesamt Leute, die in Deutschland gut integriert lebten und sich Sorgen um die Verhältnisse in ihrem Herkunftsland machten.
Kritik an Merkel
Kasraie erwähnte beispielsweise das Schicksal der Iranerin Shahnaz Akmali, die wegen „Propaganda gegen das Regime“ zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Und dies nur, weil sie seit zehn Jahren Aufklärung über die Umstände des Todes ihres Sohne fordert, der bei den Protesten 2009 erschossen worden war. Ein Vertreter der iranischen Oppositionsgruppe „Ma Hastim“ (Wir sind) sprach von mehr als 7.000 Personen, die seit den im November 2019 begonnenen Protesten verhaftet wurden, etwa 1.500 Protestierer seien getötet worden.
Zudem würden auch Angehörige der Verhafteten bedroht. „Daraufhin gab es keine Reaktion von Frau Merkel“, beklagte sich der seit über 40 Jahren in Deutschland lebende Exil-Iraner, der aus Sicherheitsgründen unter dem Pseudonym Amir Firus auftrat. Diese Kritik teilte der Gastgeber von der AfD: „Es kann nicht sein, daß wir Trump ekliger behandeln als Vertreter des Mullah-Regimes“, meinte Braun in Richtung der Bundesregierung.
„Ma Hastim“ setze sich für einen friedlichen Machtwechsel zugunsten einer säkularen demokratischen Regierung in Teheran ein. Der Obmann der AfD im Auswärtigen Ausschuß, Petr Bystron, betonte am Donnerstag, seine Fraktion stehe für eine Politik der Nichteinmischung und sehe insbesondere die militärischen Interventionen der Amerikaner im Nahen Osten zu Zeiten der Obama-Regierung sehr kritisch. „Die Iraner haben ihr Schicksal selbst in den Händen, sie sollen bestimmen“, betonte der Politiker. Dennoch könne man angesichts der Einzelschicksale nicht die Augen verschließen. Die Bundesregierung dürfe nicht mit den Mullahs paktiere. „Iran ist kein normaler Staat, seit 40 Jahren ist Teheran ein Exporteur und Finanzier islamistischen Terrors“, warnte Bystron
Teheran als „einer der größten Flüchtlingsproduzenten“
Die Exil-Iraner beklagten zudem, daß Teheran auch in Deutschland erheblichen Einfluß ausübe. Als eine der mächtigsten Organisationen nannte Firus das Islamische Zentrum Hamburg, das vom iranischen Regime finanziert wird und sehr aktiv sei. Die Opposition gegen das Mullah-Regime sei „auseinandergerissen“, auch durch gezielte Infiltration iranischer Geheimdienste. Wer sich gegen die Herrschenden in Teheran engagiere, müsse um sein Leben fürchten. Auch deswegen sei die iranische Regierung „einer der größten Flüchtlingsproduzenten“.
Kritik übten die Oppositionellen wie auch die AfD-Vertreter am ihrer Meinung nach fehlenden Engagement von Nichtregierungsorganisationen zugunsten der Menschenrechte im Iran. „Die haben eben meist ein linkes Weltbild und sehen das Mullah-Regime als Verbündeten im ‘antiimperialistischen’ Kampf“, so Firus. Und auch Braun kritisierte die zu verständnisvolle Haltung vieler Linker gegenüber der islamischen Revolution. „Erst wenn die eigenen Gesinnungsfreunde in Gefahr sind, entdecken sie die Menschenrechte“, ist der Abgeordnete aus Baden-Württemberg überzeugt. (vo)