BERLIN. Der Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Jens-Christian Wagner, hat sich gegen das Beseitigen von unliebsamen Denkmälern ausgesprochen. Es handle sich um „zeithistorische Dokumente“, die erklärt und kontextualisiert werden müßten, sagte er am Mittwoch dem Deutschlandfunk Kultur.
Hintergrund ist ein Urteil des Lüneburger Verwaltungsgerichts zu einem Wehrmachtsdenkmal in der Stadt. Die Beteiligten haben sich laut dem Gericht in der mündlichen Verhandlung darauf geeinigt, den Text auf der begleitenden Informationstafel um einen entsprechenden Halbsatz zu ergänzen, und haben das Verfahren daraufhin einvernehmlich beendet.
Kläger wollten Denkmal verhüllen
Ein in Ungarn lebender Holocaust-Überlebender sowie zwei weitere Juden hatten von der Stadt verlangt, den Gedenkstein für die 110. Infanterie-Division der Wehrmacht zu verhüllen, weil sie sich von ihm in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlten. Sie hatten zudem einen Vermerk auf der 2018 aufgestellten Begleittafel gefordert, daß die Truppe auch „am Völkermord an den Juden, der Shoah, während der Zeit von 1941 bis 1944 in der Sowjetunion beteiligt waren“, erläuterte das Gericht.
Die Infanteriedivision war als Teil der 9. Armee im März 1944 in Weißrußland im Einsatz. Dort zwang sie weite Teile der Bevölkerung zu Arbeitseinsätzen und internierte arbeitsunfähige Personen in Sammellagern an der deutsch-sowjetischen Frontlinie. Im Juli desselben Jahres wurde die Division in der Kesselschlacht von Minsk fast vollständig aufgerieben.
Geschichte müsse hinterfragt werden
Wagner sagte, er sei mit der Entscheidung der Verwaltungsgerichts zufrieden. Eine Entfernung des Steins oder eine dauerhafte Verhüllung hätte er falsch gefunden. Er sei ausdrücklich kein Denkmalstürmer, weil solche Mahnmale „als historische Quellen sehr viel darüber erzählen, wie Geschichte und wie Akteure selbst sich in der Vergangenheit wahrgenommen haben“.
Die „Antikolonialismus-Debatte“ habe durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai neuen Aufschwung bekommen. Das erhöhe auch den Druck auf die Kommunen. „Wir müssen dazu beitragen, nicht nur wir als Gedenkstättenstiftungen, sondern wir alle, sozusagen als wache demokratische Staatsbürger, daß Geschichte im öffentlichen Raum kritisch hinterfragt wird“, führte er aus. (zit)