ERFURT. Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer hat vor einer Unterwanderung der Corona-Proteste durch Rechtsextremisten gewarnt. Die rechtsextreme Szene werde beim Thema Corona „derzeit deutlich aktiver“, sagte Kramer dem Handelsblatt.
„Beschränkten sich die Aktivitäten bislang überwiegend in sozialen Netzwerken auf Kritik an der Bundesregierung oder staatlichen Institutionen, Schuldzuweisungen für die Corona-Pandemie an Ausländer, vorwiegend Asiaten, sowie die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Werte in unserem Staat, sind nunmehr deutlich konkretere Ansätze für eine völkisch-nationale Revolution erkennbar.“ Das Virus werde als Chance für den Zusammenbruch des „globalisierten Liberalismus“ und der Demokratie gesehen, zeigte sich Kramer überzeugt.
Vor allem Parteien wie die NPD, „Die Rechte“ und „Der dritte Weg“ versuchten laut Kramer, durch die Proteste gegen die Corona-Beschränkungen Anschluß an die Gesellschaft zu bekommen. Bisher könnten sie aber nur einen begrenzten Teilnehmerkreis dafür mobilisieren. „Einige spielen sich auch erfolgreich als Kümmerer in der Nachbarschaftshilfe auf oder starten Dankes-Aktionen für Krisenpersonal, um so an Kontakte zu gelangen und das Gefühl der Wertschätzung für sich zu nutzen“, erläuterte der Verfassungsschutzpräsident. „Es werden aber auch vereinzelt gezielte Attentate und Anschläge zur weiteren Schwächung des Systems diskutiert.“
Auch die AfD versuche, mit sogenannten Spaziergängen und anderen Versammlungen das Corona-Thema für sich zu nutzen.
„Trend der Entgrenzung“
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, warnt ebenfalls vor der Vereinnahmung der Proteste durch Extremisten. „Wir sehen einen Trend, daß Extremisten, insbesondere Rechtsextremisten, das Demonstrationsgeschehen instrumentalisieren“, sagte Haldenwang der Welt. Was im Internet mit Verschwörungstheorien und Fake-News begonnen habe, werde nun in die reale Welt getragen. Rechtsextremisten suchten Anschluß an bürgerliche Spektren und riefen ihre Anhänger dazu auf, sich aktiv in die Proteste einzubringen.
„Es besteht die Gefahr, daß Rechtsextremisten sich mit ihren Feindbildern und staatszersetzenden Zielen an die Spitze der Corona-Demonstrationen stellen, die aktuell mehrheitlich von verfassungstreuen Bürgern durchgeführt werden“, mahnte er. Zwar gebe es noch keinen Schulterschluß der unterschiedlichen Protestgruppen und -teilnehmer. „Sorge bereitet uns aber, daß Extremisten die aktuelle Lage genauso nutzen wie in der sogenannten Flüchtlingskrise.“ Der „Trend der Entgrenzung“, der sich seit den Protesten gegen die Migrationspolitik beobachten lasse, könne sich fortsetzen und „eine noch größere Dimension annehmen“.
Dieser Warnung schloß sich auch Kramer an: „Ich teile die Sorge ausdrücklich, dass die Gefahr besteht, daß wir eine analoge Entwicklung und damit auch einhergehende Radikalisierung, wie seinerzeit in der sogenannten Flüchtlingskrise erleben könnten.“ (krk)