BERLIN. AfD-Chef Jörg Meuthen hat die Beschuldigungen gegen seine Partei im Fall der Bluttat in Hanau strikt zurückgewiesen. Es sei „einfach unfaßbar“, die „rechtsstaatstreue Bürgerpartei als politischen Arm des Rechtsterrorismus“ darzustellen. „Man fragt sich wirklich, ob diese Menschen noch in den Spiegel schauen können“, schrieb Meuthen Freitag früh in einer Stellungnahme auf Facebook.
Er verstehe nicht, warum die Gegner seiner Partei in Politik und Medien „nicht wenigstens in Anbetracht dieses monströsen Verbrechens die Größe“ hätten, auf Fakten zu schauen und zuzugeben, „daß hier ein psychisch schwer gestörter Mann, anstatt in der Psychiatrie behandelt zu werden, auf unschuldige Bürger losgelassen wurde“. Sie müßten dann feststellen, „daß unsere AfD damit exakt gar nichts zu tun hat“.
Er könne sich an eine „ähnlich widerwärtige politische Instrumentalisierung einer schrecklichen Tat eines völlig zweifelsfrei psychisch schwerkranken Irren“ nicht erinnern.
Zahlreiche Politiker geben AfD Mitschuld
Immer mehr Politiker weisen der AfD eine Mitverantwortung für die Bluttat in Hanau zu. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte zum wiederholten Mal, die gesamte AfD müsse vom Verfassungsschutz beobachtet werden. „Da hat einer geschossen in Hanau, danach sieht es aus, aber es waren viele, die ihn munitioniert haben, und da gehört die AfD definitiv mit dazu“, sagte Klingbeil am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“.
Die Partei habe das gesellschaftliche Klima in den vergangenen Monaten und Jahren vergiftet. „Es ist doch völlig klar, daß die AfD eine Partei ist, die beobachtet werden muss vom Verfassungsschutz“, forderte der SPD-Politiker. Die Sicherheitsorgane müßten das sehr schnell entscheiden.
Sein Parteikollege, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, meinte in der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt.“
Özdemir: „AfD ist politischer Arm des Hasses“
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir ergänzte im Deutschlandfunk (DFL) seine Kritik an den Sicherheitsbehörden um die Forderung, die AfD müsse von den übrigen Parteien konsequent ausgegrenzt werden. Die AfD sei der „politische Arm des Hasses“, betonte er Donnerstag abend im DLF. Sie wolle das Land von innen zersetzen und versuche, mit ihren Äußerungen die Regeln des politischen Diskurses und die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Mit der AfD dürfe in keiner Weise zusammengearbeitet werden.
Auch FDP-Chef Christian Lindner gab der AfD eine indirekte Mitschuld an den Morden in Hanau. Zwar wolle er keine „direkten Linien“ zwischen den Ereignissen in der hessischen Stadt und den Worten von AfD-Politikern ziehen, dies wäre unseriös, sagte Lindner dem Sender n-tv. Unbestreitbar aber würden „Haßreden wie von Björn Höcke“ den Boden für Radikalisierung und Gewalt bereiten.
Als Beispiel nannte der FDP-Politiker Höckes Auftritt bei Pegida in Dresden am Montag. Es sei „das jüngste Beispiel einer Rede, in der Haß auf demokratische Parteien, die Regierung, diesen Staat und jede Form von Minderheit geschürt wird“. Damit werde „ein Klima geschaffen, aus dem heraus sich dann Gruppen oder Einzelne rekrutieren, radikalisieren bis hin zu mörderischem Terror“. Eine klare Abgrenzung zur AfD sei deshalb umso dringlicher. Auch er forderte, der Verfassungsschutz müsse klären, wie mit der AfD zu verfahren sei.
Röttgen: „Man darf die Tat nicht isoliert sehen“
Bereits im Laufe des Donnerstags hatten mehrere Politiker der AfD eine Mitschuld an den Taten in Hanau gegeben. Der Außenpolitiker und Kandidat für den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, sagte der Bild-Zeitung: „Man darf die Tat nicht isoliert sehen. Wir müssen das Gift bekämpfen, das von der AfD und anderen in unsere Gesellschaft getragen wird.“
Auch der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle warf der AfD in einer Live-Sendung des Blatts eine Mitschuld an einem angeblich haßerfüllten gesellschaftlichen Klima in Deutschland vor. „Die AfD trägt Mitverantwortung für Klima des Hasses und Rassismus in Deutschland.“
Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts
Der 43 Jahre alter Hanauer Tobias R. hat laut Sicherheitsbehörden am Mittwoch abend in der hessischen Stadt neun Personen an mehreren Orten erschossen. Anschließend soll er in seiner Wohnung seine Mutter und sich gerichtet haben. Sechs weitere Personen wurden verletzt. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts.
Generalbundesanwalt Peter Frank kündigte Donnerstag nachmittag an, den Fokus der Ermittlungen jetzt auf mögliche Mitwisser zu richten. Seine Behörde habe den Fall an sich gezogen, weil der mutmaßliche Täter in Videobotschaften und „einem Art Manifest“ neben „wirren Gedanken“ und „abstrusen Verschwörungstheorien“ auch eine „zutiefst rassistische Gesinnung“ aufweise.
Der mutmaßliche Täter schrieb in einem Dokument auf seiner Website, er werde von einem Geheimdienst überwacht, genauso wie Tausende andere Deutsche auch. Der Dienst mit US-amerikanischem Hintergrund oder Verbindungen in die Vereinigten Staaten habe die Fähigkeit, sich in die Gehirne von Menschen „einzuklinken“ und sie fernzusteuern.
In dem Text finden sich auch ausländerfeindliche Passagen. Demnach reiche die Abschiebung von Ausländern nicht aus, weshalb es eine weltweite „Grob-Säuberung“ und eine „Fein-Säuberung“ brauche. Mehrere Länder müßten „vernichtet“ werden. (ls)