BERLIN. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, ist auf Drängen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) von seinem Posten zurückgetreten. Grund ist Hirtes Glückwunsch-Tweet an Thomas Kemmerich (FDP) zu dessen Wahl als Ministerpräsident von Thüringen.
Herzlichen Glückwunsch @KemmerichThL! Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats #Thüringen!
— Christian Hirte (@ChristianHirte) February 5, 2020
„Frau Bundeskanzlerin Merkel hat mir in einem Gespräch mitgeteilt, daß ich nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Länder sein kann“, schrieb Hirte auf Twitter. „Ihrer Anregung folgend, habe ich daher um meine Entlassung gebeten.“ Auch als Wirtschaftsstaatssekretär wird Hirte künftig nicht mehr der Bundesregierung angehören. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte, daß Merkel um Hirtes Entlassung bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geben habe.
Die Bundeskanzlerin hat heute im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie dem Bundespräsidenten gemäß §4 Satz 2 ParlStG die Entlassung von Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Christian Hirte vorgeschlagen.
— Steffen Seibert (@RegSprecher) February 8, 2020
Esken forderte Hirtes Entlassung
Zuvor hatte SPD-Chefin Saskia Ecken Hirtes Entlassung gefordert. Jemand, der die „Wahlgemeinschaft“ aus CDU, FDP und AfD als „Mitte“ bezeichne, könne nicht im Auftrag der SPD und damit der Bundesregierung sprechen, sagte Esken. Der SPD-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Wolfgang Tiefensee, nannte den Rücktritt Hirtes „überfällig“.
Der Vorsitzende der Linksfaktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sprach von einem „notwendigen und folgerichtigen Schritt”. Hirte habe im „Geschichtsunterricht nicht aufgepaßt”, so der Vorwurf des Kommunisten. Juso-Chef Kevin Kühnert (SPD) jubilierte, Hirte sei der „erste Trittbrettfahrer” der „blau-schwarz-gelben Schande”, der gehe. „Ihm werden viele folgen müssen”, prophezeite Kühnert.
Kritik kam von der AfD. Der Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Leif-Erik Holm, sprach von „Zügen einer Säuberungsaktion”. Offenbar solle nun jeder politisch zur Strecke gebracht werden, der es wagte, dem FDP-Ministerpräsidenten zu seiner Wahl zu gratulieren.
Scharfe Kritik von der WerteUnion
Hirte habe die Menschen im Osten immer wieder „gegen die versuchte Stigmatisierung mit der Nazi-Keule in Schutz genommen”. Es sei daher kein Wunder, daß er gehen mußte, sagte Holm. AfD-Parteichef Tino Chrupalla warf Merkel „DDR-Methoden” vor. „Nach alter FDJ-Schule” zerstöre die Kanzlerin das Fundament unserer Demokratie.
Scharfe Kritik kam auch von innerhalb der Partei. „Die WerteUnion erklärt ihr völliges Unverständnis über diesen Vorgang – sowie ihre unbedingte Solidarität zu Hirte und allen anderen Mandatsträgern der Union, die der Annäherung an die umbenannte SED widersprechen und deshalb um ihre Positionen fürchten müssen”, heißt es in einer Stellungnahme.
Der Vorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch, nannte den erzwungenen Rücktritt Hirtes einen „neuerlichen Tiefschlag für die innerparteiliche Demokratie”. Es sei jedem klar, daß die Entlassung Hirtes nichts mit seiner fachlichen Arbeit zu tun habe. Vielmehr gehe es darum, Kritiker einer geplanten Zusammenarbeit mit der Linkspartei systematisch kaltzustellen. Dies sei ein „offener Bruch mit den Prinzipien unserer Partei”. (tb)