Zahlreiche Politiker haben Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) in der Affäre um ihren Doktortitel dazu aufgefordert, ihr Amt niederzulegen. „Stellt sich heraus, daß sie getäuscht hat, bleibt ihr nur der Rücktritt“, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki der Bild-Zeitung. Es gebe keinen logischen Grund, warum bei ihr andere Maßstäbe gelten sollten als bei Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Kritik kommt auch aus der eigenen Partei. Giffeys Erklärung, auf das Führen ihres Titels zu verzichten, komme „viel zu spät, um mit Anstand aus der Nummer rauszukommen“, betonte Heinz Buschkowsky (SPD) gegenüber Bild. Ihr bleibe eigentlich nichts anderes übrig, „als die Konsequenzen zu ziehen, die sie selbst vor gut einem Jahr angekündigt hat“. Damals hatte die Politikerin einen Rücktritt in Aussicht gestellt, falls die Freie Universität (FU) Berlin ihr den Titel aberkennen sollte.
Auch der wissenschaftspolitische Sprecher der Berliner AfD-Fraktion, Martin Trefzer, forderte den Rücktritt der Ministerin und stellte fest: „Giffeys Verzicht auf den Doktortitel kommt zu spät und entspringt rein taktischen Überlegungen“. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz (CDU), zeigte sich „sehr gespannt, ob bei der SPD-Ministerin die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie in den Fällen Guttenberg und Schavan.“
Giffey verzichtet auf Doktortitel
Giffey hatte am Freitag erklärt, auf ihren Doktortitel zu verzichten. „Ich bin nicht gewillt, meine Dissertation und das damit verbundene nun neu aufgerollte Verfahren weiter zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen zu machen“, schrieb sie in einem Brief an die Freie Universität Berlin.
Sie werde den 2010 an sie verliehenen Titel „Dr. rer. pol.“ nicht mehr führen, um „weiteren Schaden von meiner Familie, meiner politischen Arbeit und meiner Partei abzuwenden“. „Wer ich bin und was ich kann“, sei nicht von dem Titel abhängig. „Was mich als Mensch ausmacht“, liege nicht an dem akademischen Grad.
Ihre Arbeit als Familienministerin werde sie fortsetzen, betonte Giffey. Ebenso werde sie beim Parteitag der Berliner SPD als Landesvorsitzende antreten. „Ich kandidiere beim digitalen Parteitag am 27. November für den Landesvorsitz der Berliner SPD und freue mich darauf, im nächsten Jahr gemeinsam mit den Berliner Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einen engagierten Wahlkampf zu führen“, teilte sie am Freitag mit.
Klare Kante von @Karl_Lauterbach im Fall #Giffey: Toll, wenn auch bei Parteigenossen schonungslos Konsequenzen gefordert werden. Daumen hoch! pic.twitter.com/O37xagf7Uh
— Dieter Stein (@Dieter_Stein) November 13, 2020
Berliner SPD stellt sich hinter Giffey
Zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin äußerte sich die Ministerin nicht. Zusammen mit dem Berliner SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh soll Giffey allen Erwartungen nach im Dezember zur neuen Doppelspitze des Landesverbands gewählt und als Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl bestimmt werden.
Die SPD Berlin bekannte sich in der Plagiatsaffäre zu der 42jährigen. „Großer Respekt vor deiner Entscheidung, liebe Franziska Giffey. Wir stehen solidarisch an deiner Seite“, schrieb die Partei am Freitag auf Twitter.
Die FU plant eine erneute Überprüfung
Die FU Berlin hatte Giffey vor einem Jahr eine Rüge erteilt, nachdem bei einer Überprüfung ihrer Dissertation wissenschaftliche Mängel festgestellt wurden. Die Universität entzog ihr jedoch nicht den Doktortitel in Politikwissenschaft. Nach einem neuen Gutachten hatte die FU vergangene Woche allerdings bekanntgegeben, ihre Entscheidung zu überprüfen. Diesem Verfahren wollte sich Giffey anscheinend nicht stellen.
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Annette Schavan (CDU) waren 2011 beziehungsweise 2013 als Minister zurückgetreten, als ihnen der Doktortitel aberkannt worden war. (gb)