BERLIN. Der Zentralrat der Juden hat eine Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) gefordert. „Das NetzDG war ein wichtiger und richtiger Schritt, aber es scheint mir nicht in allen Punkten zu greifen“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Heilbronner Stimme. Es müsse deshalb rasch „optimiert werden“.
In Deutschland würde die Grenze des Sagbaren bewußt nach rechts verschoben. Als Beispiel nannte er Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland und des Landeschefs von Thüringen, Björn Höcke. „Und am Stammtisch könnte es heißen: Wenn die das schon sagen dürfen, dann wird doch wohl auch der Normalbürger nicht schweigen müssen. Und in den sozialen Netzwerken lassen sich dann solche sprachlichen Veränderungen blitzschnell an Millionen von Menschen verbreiten.“ Dies sei eine gefährliche Entwicklung für das Gemeinwesen.
Es sei nicht zu verstehen, daß Haßbotschaften nach wie vor nicht unverzüglich gelöscht würden, kritisierte Schuster. In sozialen Medien dürfe man noch immer Beleidigungen äußern, ohne Sorge haben zu müssen, dafür belangt zu werden. „Besonders schlimm ist, daß auch die antijüdischen Klischees aus der Nazizeit und Verschwörungstheorien einen breiten Raum einnehmen.“
„Zunehmend gefährliche Gemengelage aus Nationalismus und Extremismus“
Zudem warnte Schuster mit Blick auf die EU-Parlamentswahl im Mai vor einem Erstarken populistischer Parteien. „In meinen Augen gibt es in vielen Ländern eine zunehmend gefährliche Gemengelage aus Nationalismus und Extremismus. Alle Bürger in der EU sind gefordert, für die Demokratie einzutreten.“
Die Debatte dürfe allerdings nicht nur Politikern überlassen werden, sondern müsse auch in Vereinen und Kirchen geführt werden. „Es ist eine breite Diskussion über die Vorzüge eines freien und einigen Europas notwendig. Das Thema geht uns alle an.“ Er hoffe auf ein „deutliches Bekenntnis zu Europa und zur Europäischen Union“.
Der Zentralratspräsident lobte den Vorschlag des CSU-Politikers und Spitzenkandidaten der Europäischen Volksparteien, Manfred Weber, einen Pakt gegen Antisemitismus in Europa zu schließen. „Die antisemitischen Ressentiments waren nie weg, sondern schwelten in zahlreichen Staaten lange unter der Oberfläche. Nun stellen wir leider fest: Es wird wieder antisemitisch argumentiert und agiert.“ (ls)