MÜNCHEN. Der Historiker Götz Aly ist am Montag mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet worden. Er erhielt die Ehrung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Stadt München für sein jüngstes Buch „Europa gegen die Juden. 1880 – 1945“. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis erinnert an die Geschwister Scholl, die ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Mitglieder der Gruppe „Weiße Rose“ mit dem Leben bezahlten.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) würdigte den Preisträger während der Verleihung in der Ludwig-Maximilians-Universität der bayerischen Landeshauptstadt für seine Leistung zur Erforschung des Antisemitismus, meldet die Nachrichtenagentur dpa. „Seine Antworten liegen abseits einer Metaphysik des Bösen oder der Beschwörung der Unerklärbarkeit. Statt dessen verweist er auf die Abgründe, die in der Normalität liegen, auf die Rationalität und die materiellen Interessen, die hinter der Vernichtungspolitik standen.“
Aly: Deutsche hielten in „dumpf-hinnehmender Apathie“ zur NS-Führung
In seiner Dankesrede befaßte sich der 71 Jahre alte Historiker mit der Frage, warum der Widerstand der „Weißen Rose“ isoliert blieb. Dafür machte er eine „dumpf-hinnehmende Apathie“ des deutschen Volkes und eine „Mischung aus Akklamation und Sich-Wegducken“ verantwortlich. Diese Mixtur aus gemeinschaftlichem Profit und gemeinschaftlich zu verantwortenden Verbrechen habe Volk und Führung zusammengeschweißt, betonte Aly.
In der Begründung für die Auszeichnung hoben Buchverein und Stadt München hervor, es sei Aly gelungen, zu zeigen, daß der Antisemitismus in Deutschland nicht „die Sache einer Minderheit von irrationalem Haß getriebener Fanatiker“ gewesen sei. Auch der Neid auf wirtschaftlich erfolgreiche Juden habe dazu beigetragen, sie aus dem bürgerlichen Leben zu verdrängen. Neid spiele auch in die aktuelle Debatte über die Flüchtlingspolitik hinein. (ag)