Die Geschichte des Christentums ist eine Geschichte der Verfolgung. Die Bibel kennt die Ankündigung Christi, daß seine Jünger seinetwillen verfolgt werden ebenso wie den frühen Märtyrertod des Stephanus. Folgerichtig heißt jenes Gesprächsforum der Unions-Bundestagsfraktion, das sich für verfolgte Christen einsetzt, „Stephanuskreis“.
Von einer christdemokratischen Fraktion hätte man demnach erwarten können, daß das Thema „Christenverfolgung“ im Bundestag als Fundament für eine weitere Auseinandersetzung mit jener Tragödie dienen würde, die aktuell 200 Millionen Christen weltweit betrifft. Ob im Nahen Osten oder den sozialistischen Staaten Asiens: die Christenheit ist von Diskriminierung, Vertreibung und Mord bedroht.
Drei Bundestagsabgeordnete schickte die Union am Donnerstag ins Rennen, aber keiner schloß sich dem Ruf nach Sanktionen gegen christenfeindliche Regimes, nach Unterstützung der Opfer oder größerer Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Christen vor Ort an. Denn der Antrag, endlich deutliche Zeichen gegen die Christophobie in Orient und Fernost zu setzen, kam von der AfD.
Debatte verkommt auf Kosten Millionen Opfer
Der vergangene Donnerstag war daher ein Armutszeugnis jener christlichen Brüderlichkeit, welche die Christdemokraten immer nur dann zelebrieren, wenn es den eigenen Interessen entgegenkommt. Hauptgegenstand war nicht mehr die Christenverfolgung, sondern die AfD und die allgemeine Religionsfreiheit.
Auf Kosten von Millionen Opfern verkam die Debatte zu einer reinen Scheltungsorgie gegen die AfD, da diese die Religionsfreiheit nur einseitig fordere. Der Antrag sei schlicht nichts wert, weil er nur eine Religionsgruppe hervorhebe. Sichtlich ging es den Parteien um Profilierung gegen die AfD, nicht um Besprechung des eigentlichen Tagesordnungspunktes.
Daß nur einen Tag später, am Freitag, alle Fraktionen – abgesehen von der AfD – die Verfolgung der muslimischen Rohingya beklagten, und damit auch nur das Schicksal einer einzigen Religionsgruppe hervorhoben, störte dagegen niemanden. Die Heuchelei erreichte ihren Höhepunkt, als der CDU-Abgeordnete Michael Brand am Donnerstag den Antrag zur Christenverfolgung mit dem Argument ablehnte, man müsse alle Religionsgruppen schützen, aber mit einer sehr ähnlichen Rede und demselben Argument den Antrag zur Rohingya-Verfolgung unterstützte.
Kein politischer Anwalt für Christen
Zwar hatte Brand in seiner Rede die Christenverfolgung angesprochen, dabei aber immer wieder die erfolgreiche Arbeit von CDU und CSU, sowie den Beitrag des Parteikollegen Volker Kauder hervorgehoben. Angesichts der tatsächlichen Situation der Christen weltweit kann dies nur Hohn sein – reichte die bisherige Arbeit der Bundesregierung aus, gäbe es wohl kaum einen Grund, das Thema Christenverfolgung überhaupt zu debattieren. Neuerlich machte die Plattitüde die Runde, daß die meisten Opfer des Islams die Moslems selbst seien. Daß die Christen allerdings im Nahen Osten – im Gegensatz zur Sunna mit Saudi-Arabien oder der Schia mit dem Iran – keinen politischen Anwalt haben, fiel in der Rede unter den Tisch.
Die Relativierung der Christenverfolgungen durch SPD, FDP, Grüne oder Linke war vorherzusehen. Die CDU ließ es sich aber nicht nehmen, mit Frank Heinrich ein Heilsarmee-Mitglied auftreten zu lassen. Heinrich zitierte eine Anekdote aus Afrika: die dortigen Christen hätten ihn daran erinnert, daß man auch für Boko Haram beten müsse. Den anderen Teil der Erzählung, nämlich, daß die Christen ihn darum baten, diese nicht in ihrem Elend zu vergessen, hat Heinrich dagegen offensichtlich verdrängt. Die Mahnung steht in der Reihe solcher Äußerungen wie jene der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann,, daß man auch für Terroristen beten solle, oder jener von EKD-Bichof Markus Dröge, der die Berichte über Christenverfolgungen als übertrieben bezeichnet hatte.
Zu wenig wert, um sich zu kümmern
Der Beitrag bildete symbolisch die Debatte ab: die Christen taten den Mitgliedern irgendwie Leid, aber sie waren dann doch zu wenig wert, als daß man sich um diese kümmerte. Mit Christenverfolgungen können allein Populisten Stimmenfang betreiben, die „demokratischen Parteien“, wie sie sich selber nennen, konzentrierten sich lieber auf die exotischen Muslime in Südostasien.
Die Möglichkeit der Auslöschung des Christentums in seiner Heimat war wohl einigen Abgeordneten klar – Konsequenzen vonseiten Deutschlands sind jedoch offenbar zu viel verlangt. Der Fall löst Erinnerungen an den bislang letzten großen Christenmord des Orients aus. Auch damals hatte das Deutsche Reich eine mehr als randeschämende Rolle gespielt. Die heutigen Volksvertreter lassen ein ähnliches Massaker zu, wenn auch nicht aus realpolitischen Erwägungen, sondern aus innenpolitischem Krämertum und Selbstherrlichkeit.