Der Zeitpunkt war günstig, die Entscheidung überfällig. Jedenfalls aus Sicht des Bundesvorstandes der AfD. Um 16.30 Uhr gab die Partei am Gründonnerstag unmittelbar vor den Feiertagen bekannt, daß der saarländische Landesverband mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde.
Rund ein Jahr vor der Landtagswahl im Saarland steht die Alternative für Deutschland damit formell ohne Landesverband da.
Die AfD-Spitze begründete die Auflösung des rund 300 Mitglieder starken Verbandes mit „schwerwiegenden Verstößen gegen die politische Zielsetzung und die innere Ordnung der Partei“. Vorausgegangen waren Recherchen des Magazins Stern über Beziehungen des bisherigen Landesvorsitzenden Josef Dörr und seines Stellvertreter Lutz Hecker zu Rechtsextremisten.
„Mitglieder-Tausch“ mit Wählervereinigung vereinbart?
Im Kern geht es darum, daß Dörr und Hecker Kontakte zur „Freien Bürger Union“ unterhalten haben, einer Wählervereinigung, die nachweislich von ehemaligen NPD-Mitgliedern geführt wird. Dörr habe angeblich einen „Mitglieder-Tausch“ angeregt und FBU-Mitgliedern sichere Listenplätze angeboten. Außerdem soll die Landesspitze Verbindungen zu einer islamfeindlichen Organisation in der benachbarten Pfalz gehabt haben.
Die Vorgänge im Saarland beschäftigen die AfD-Spitze seit Monaten. Bereits im vergangenen November hatte sich der Bundesvorstand mit den Vorgängen an der Saar befaß. Josef Dörr, ein 77 Jahre alter Politik-Vagabund, der nach Jahrzehnten bei CDU und Grünen schließlich in der AfD landete, übernahm im Frühjahr 2014 den Landesvorsitz vom ehemaligen FDP-Politiker Johannes Trampert. Der galt als Anhänger von Parteigründer Bernd Lucke.
Bundesvorstand spricht von „Auffälligkeiten“
Im Zuge der Parteispaltung im vergangenen Sommer kam es auch im Saarland zu erheblichen Turbulenzen. Eine Zeit des Umbruchs, die Dörr, dessen Gegner ihn als „gewieften Taktiker“ bezeichnen, offenbar nutzte, um seine Machtstrukturen aufzubauen. Dazu gehören nach Recherchen der Saarbrücker Zeitung rund 40 Mitglieder, auf deren Aufnahmeanträgen die immer gleichen E-Mail-Adressen eingetragen wurden – auf besonders vielen soll die Adresse von Dörr stehen. Der Bundesvorstand spricht von „Auffälligkeiten“.
Neben Dörr und Hecker steht auch der Saarbrücker Kreisvorsitzende Rudolf Müller mächtig in der Kritik. Müller, der gleichzeitig Pressesprecher des suspendierten Verbands war, soll versucht haben, ein ehemaliges NPD-Mitglied in die Partei aufzunehmen. Der Bundesvorstand stoppte dieses Vorhaben drei Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist.
Einladung an saarländischen NPD-Chef
Dörr-Kritiker berichten von einem ausgesprochen guten Verhältnis des Landesvorsitzenden zum saarländischen NPD-Chef Peter Marx. Der durfte auf Einladung Dörrs ein Grußwort bei einem Bürgerstammtisch halten, zudem habe Dörr dessen Anwesenheit auf einer von der AfD organisierten Anti-Asyl-Demo gebilligt.
„Dieses Verhalten werden wieder einmal zahlreiche ehrliche Konservative auszubaden haben“, sagt der ehemalige Landesgeschäftsführer Olaf Vieweg. Vieweg und der bisherige Landesvize Michael Schettle gelten als mögliche Nachfolge-Kandidaten Dörrs, sollten die Ordnungsmaßnahmen vor dem Bundesschiedsgericht Bestand haben. Dort hat die Dörr-Fraktion Einspruch eingelegt.
Man habe ein „reines Gewissen“, sagt Hecker. Dörr spricht von „kaltem Kaffee“ und Ex-Sprecher Müller von „Lächerlichkeiten“. Dörr-Kritiker Vieweg sowie der Landesvorstand der Jungen Alternative plädieren dagegen für einen Neuanfang. Dazu gehöre auch eine Überarbeitung der Mitgliederliste. Schettle spricht von „richtigen AfD-Mitgliedern“, die aus Überzeugung in der Partei sind, und „AfDörr-Mitgliedern“, die es nur wegen Dörr sind.
Keine Einsicht in die Unterlagen der Landesgeschäftsstelle
Außerdem erhofft man sich, daß die Bundesspitze Einsicht in die Unterlagen der Landesgeschäftsstelle erhält. Die verlegte Dörr im vergangenen Sommer von Eppelborn nach Saarbrücken.
Kritik am Auflösungsbeschluß des Bundesvorstandes kam vom thüringischen Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. „Eine Partei, die einen Landesverband auflöst, scheint mir den Kinderschuhen doch noch nicht ganz entwachsen zu sein“, schrieb er auf Facebook – und erntete prompt Widerspruch von seinem parlamentarischen Geschäftsführer Stefan Möller.
„Ich gehe davon aus, daß der Bundesvorstand seine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen hat“, sagte Möller der Thüringer Allgemeinen. Mittlerweile wurde Höckes Facebook-Eintrag wieder gelöscht.
JF 14/16