KÖLN. Die Polizei sollte einem Zeitungsbericht zufolge möglicherweise die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht verschweigen. Wie der Kölner Express unter Berufung auf vertrauliche E-Mails und Vermerke berichtete, soll das Innenministerium versucht haben, die Veröffentlichung der Attacken auf Frauen in der Neujahrsnacht zu verhindern.
Eine damalige Mitteilung der Polizei unter dem Titel „Vergewaltigung, Beleidigung auf sexueller Basis, Diebstahlsdelikte, Raubdelikte begangen durch größere ausländische Personengruppe“ sei als „WE-Meldung“ (Wichtiges Ereignis) gekennzeichnet gewesen.
Begrapscht, bestohlen und beraubt
Darin hieß es laut dem Blatt unter anderem: „Im Rahmen der Silvesterfeierlichkeiten kam es auf dem Bahnhofsvorplatz in der Innenstadt zu insgesamt bislang bekannten 11 Übergriffen zum Nachteil von jungen Frauen, begangen durch eine 40- bis 50-köpfige Personengruppe.“
Die Frauen seien „von der Personengruppe umzingelt, oberhalb der Bekleidung begrapscht, bestohlen und Schmuck wurde entrissen. In einem Fall wurden einem 19-jährigen deutschen Opfer Finger in die Körperöffnungen eingeführt“.
„Ein Wunsch aus dem Ministerium“
Nach dem Erhalt der Meldung soll ein Beamter der Landesleitstelle in Duisburg, die dem nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) unterstellt ist, am ersten Januar in Köln angerufen und darum gebeten haben, die Meldung zu „stornieren“ beziehungsweise den Begriff „Vergewaltigung“ zu streichen, dies sei „ein Wunsch aus dem Ministerium“.
Wie der Express weiter berichtete, habe Kripo-Vize-Chefin Heidemarie Wiehler am Nachmittag des 10. Januar eine als „vertraulich“ gekennzeichnete E-Mail an den Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann sowie einen Referatsleiter im Ministerium über die Vermerke der Kollegen geschickt.
Identität des Anrufers ungeklärt
Titel: „Stornierungswunsch WE-Meldung vom 1.1.2016“. Sie habe bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachgeforscht, um wen es sich bei dem Anrufer handelte. Es stehe nur fest, daß es ein männlicher Beamter gewesen sei.
Einen Tag später beschäftigte sich erstmals der Innenausschuß des Landtags mit den Vorfällen in der Silvesternacht. Innenminister Jäger habe dort mit Nachdruck angekündigt, und es dürfe „keine Tabus bei unbequemen Fragen oder politisch brisanten Antworten geben. Falsch verstandene Political Correctness ist jetzt fehl am Platze“. Den Anrufer in Köln habe er nicht erwähnt. (ls)