BERLIN. Die angebliche Messerattacke auf einen Politiker der Linkspartei stößt auf Zweifel. Am vergangenen Dienstag abend teilte der Schweriner Kreisverband der Linkspartei mit, eines seiner Mitglieder sei Opfer eines mutmaßlich rechtsextremen Anschlags geworden.
Drei Täter hätten in Wismar auf Julian Kinzel eingeschlagen und etwa 17 Mal auf den jungen Mann eingestochen. Einer der Angreifer hätte Kleidung der Marke Thor Steinar getragen. Kinzel sei während der Attacke zudem als „schwule Kommunistensau“ beschimpft worden.
Schnell meldeten sich mehrere hochrangige Linken-Politiker zu Wort, darunter auch der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Dietmar Bartsch: „Wir verurteilen diese Tat auf das Schärfste und erklären erneut, daß Die Linke in ihrem Kampf gegen rechtsextremes Gedankengut nicht nachlassen wird.“
Zweifel am Tathergang
Der Bundesgeschäftsführer der Partei, Matthias Höhn, bekräftigte: „Der aktuelle Fall belegt auf traurige Weise einmal mehr, wie gefährlich und menschenverachtend Rechtsextremismus ist – wir können ihn nur besiegen, wenn die Zivilgesellschaft geschlossen diesem Feind entgegentritt.“
Doch mittlerweile gibt es Zweifel am angeblichen Tathergang. Die bisherige Version stammt einzig und allein vom Opfer. Kinzel schilderte unter anderem gegenüber dem NDR den Ablauf des Angriffs. Einem Reporter des Senders zeigte er auch einen Teil seiner Verletzungen an Hals und Arm. Letztere sind laut NDR „das Problem“.
„Sie zeigen Schnitte, die kreuz und quer über den Unterarm laufen.“ Kinzel erklärte dies damit, daß er eine dicke Winterjacke getragen und mit dem Arm die Messerattacke abgewehrt habe. Allerdings hatte er den Vorfall erst einen Tag nach dem mutmaßlichen Angriff bei der Polizei gemeldet. Und auch nicht auf einer Polizeistation, sondern über die Internet-Wache. Danach war er dann längere Zeit nicht mehr zu erreichen, weder für die Presse noch für die Polizei.
„Oberflächliches Wundbild“
Eine Gerichtsmedizinerin begutachtete die Filmaufnahmen des NDR und bewertete es als „äußerst unwahrscheinlich, daß ein solches so gleichmäßiges und oberflächliches Wundbild nach einem mit dem dick bekleideten Arm abgewehrten Messerangriff“ entstehen könne, heißt es im Bericht des Senders.
Fraktionschef Bartsch hält dennoch weiter zu Kinzel. „Der Staatsschutz ermittelt. Von den Ermittlern werden die Zweifel nicht bestätigt. Ich kenne den jungen Mann sehr gut. Klug und ehrlich“, sagte er dem Tagesspiegel.
Am Montag wurde bekannt, daß die Staatsanwaltschaft Schwerin ein Ermittlungsverfahren gegen Kinzel eingeleitet hat. Die bisherigen Ermittlungen seien zum Ergebnis gekommen, daß der Nachwuchspolitiker den „Überfall auf ihn in Wismar lediglich erfunden“ habe. Der zuständige Rechtsmediziner sei zu dem Schluß gekommen, „daß die Art der Verletzungen nicht mit dem behaupteten Verlauf des Überfalles in Übereinstimmung zu bringen seien, eine Selbstbeibringung dagegen hinreichend wahrscheinlich ist“. (krk)