„Die greifen mir unter das Kleid und die Polizei macht gar nichts.“ Nur einer von vielen panischen Notrufen in der Silvesternacht in Köln, die am Montag im Untersuchungsausschuß des Landtages in Nordrhein-Westfalen als Aufzeichnung zu hören waren. Brisant an dem gestrigen Untersuchungsausschuß ist allerdings etwas anderes: Schon am 1. Januar waren 227 Anzeigen der Opfer bei der Polizei eingegangen berichtet der Express, laut Bild sollen es sogar knapp 400 Anzeigen gewesen sein.
Ist es vorstellbar, daß die Polizeiführung bei einem derartig hohen Kriminalitätsaufkommen nicht das Innenministerium und das wiederum nicht die Staatskanzlei informierte? „Die Zahlen sprechen dagegen“, sagte Gutachter Rudolf Egg vor dem Untersuchungsausschuß aus. Egg ist Rechtspsychologe. Er war beauftragt worden, alle 1.182 Anzeigen auszuwerten.
Landesregierung unter Druck
Eggs Aussage setzt die Landesregierung unter Druck. Innenminister Ralf Jäger (SPD) versucht Kritik an seinem Verhalten damit zu entkräften, erst am 4. Januar über die Dimension der Ereignisse informiert worden zu sein.
Außergewöhnlich: Per eidesstattlicher Erklärungen hatten am 24. Mai sowohl Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch Innenminister Jäger erklärt, sie hätten untereinander keinen Kontakt vom 31.12.2015 bis zum 4. Januar um 13. 41 Uhr gehabt. Die Erklärungen stehen im Netz. Dazu eine Chronologie der Ereignisse.
Polizei in der Verantwortung
Doch Egg geht noch weiter in seiner Kritik. Er sieht auch die Polizei in der Verantwortung. Sie sei nicht frühzeitig eingeschritten. Egg sagte, in der Nacht wäre eine Null-Toleranz-Strategie angemessen gewesen. Durch das Verhalten der Polizei hätten die Täter das Gefühl gehabt, in dieser Nacht alles tun zu können.
Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte in einer früheren Aussage vor dem Untersuchungsausschuß die Mitschuld für die Ausschreitungen, Vergewaltigungen, Belästigungen, Raubstraftaten bei seinen Beamten gesehen. Mathies gab drei Gründe an: Der Polizeiführer war kein höherer, sondern nur ein gehobener Dienst. So konnte er nicht auf einen größeren Mitarbeiterstab zurückgreifen und angemessen auf die Ausschreitungen reagieren.
Schon während der Planung des Silvestereinsatzes wurde ein zu geringer Personaleinsatz berechnet und dann während der Nacht keine Verstärkung angefordert. (mec)