BERLIN. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, hat sich beschämt über die Asylpolitik der Europäischen Union gezeigt. „Ich bin so gern Europäerin. Aber manchmal schäme ich mich in diesen Tagen für unseren Kontinent, der nur noch eine Bedrohung seines Wohlstandes sieht und nicht die Flüchtlinge, die Beistand brauchen“, schrieb Käßmann in der Bild am Sonntag.
„Wie toll war es, als die Schlagbäume geöffnet wurden und wir über die Grenzen gehen konnten. Was haben wir uns gefreut, als die Mauer fiel und Reisefreiheit auch für Ostdeutsche, Ungarn, Tschechen und Polen möglich wurde.“ Doch jetzt verrate Europa diese Freiheit, weil es dieses Recht denen verwehre, die auf der Flucht seien vor Krieg und Elend, vor Hunger und Zerstörung.
Zuvor hatte bereits Bundespräsident Joachim Gauck die Deutschen zu mehr Empathie gegenüber Asylbewerbern aufgerufen. Anläßlich des ersten Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung sowie des Weltflüchtlingstags erinnerte Gauck am Sonnabend an das Leid der deutschen Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Schicksale von damals und die Schicksale von heute gehörten auf existentielle Weise zusammen, mahnte Gauck.
Gauck: Zuwanderer erhöhen soziale und kulturelle Vielfalt
„Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen von heute vertiefen. Und umgekehrt: Die Auseinandersetzung mit den Entwurzelten von heute könnte unsere Empathie mit den Entwurzelten von damals fördern.“
Flüchtlinge und andere Zuwanderer erhöhten einerseits die soziale und kulturelle Vielfalt und vergrößerten die Innovationskraft der Gesellschaft, schwärmte der Bundespräsident. Die Bereitschaft zur Solidarität innerhalb einer Gesellschaft könne aber auch zurückgehen, wenn die Zahl der Asylbewerber zu schnell und zu stark steige, warnte er. Deswegen dürften die Deutschen aber die Möglichkeit nicht verkennen, die sich durch die Asylbewerber für die Gesellschaft ergäben.
„Erinnern wir uns daran, welch großen Anteil Flüchtlinge und Vertriebene am erfolgreichen Wiederaufbau Deutschlands hatten. Eben diesen Geist, der den Neuanfang sucht und die Zukunft gestalten will, erkenne ich auch bei vielen Flüchtlingen von heute.“ (krk)