BERLIN. Nach der Zustimmung von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum Asylkompromiß im Bundesrat ist bei den Grünen ein Streit über die Einwanderungspolitik entbrannt. Die frühere Bundesvorsitzende Claudia Roth sprach von einem „rabenschwarzen Tag für die Flüchtlinge und die Grünen“. Menschrechtspolitik sei eines der Identifikationsthemen ihrer Partei, sagte Roth dem Spiegel. Sie sei daher „sehr enttäuscht“ von Kretschmanns Entscheidung.
Baden-Württemberg hatte am Freitag im Bundesrat der von der Großen Koalition initiierten Gesetzesänderung beim Asylrecht zugestimmt und Union und SPD damit die notwendige Mehrheit für das Vorhaben gesichert. Danach gelten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien künftig als sichere Herkunftsländer. Asylbewerber aus diesen Ländern können nun schneller abgeschoben werden.
Im Gegenzug soll die Residenzpflicht für Asylbewerber ab dem vierten Aufenthaltsmonat wegfallen. Auch das Sachleistungsprinzip soll abgeschafft werden und Asylbewerber Geld statt Nahrungsmittel und Kleidung erhalten. Beides hatten die Grünen seit Jahren gefordert.
Özdemir verteidigt Kretschmann
Trotzdem stieß Kretschmanns Zustimmung für die Gesetzesänderungen bei den Grünen überwiegend auf Kritik. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck warf Kretschmann vor, das „Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt“ zu haben.
Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, äußerte Unmut über den Alleingang das baden-württembergischen Ministerpräsidenten. „Ich halte die Entscheidung Kretschmanns für falsch“, sagte Hofreiter Spiegel Online. „Das Ergebnis der Verhandlungen rechtfertigt keine Zustimmung.“
Rückendeckung erhielt Kretschmann dagegen von Grünen-Chef Cem Özdemir. „Ich bin auch nicht glücklich über das Gesamtergebnis, aber unsere Verhandler haben Zugeständnisse erreicht – gerade bei der Residenzpflicht und dem verbesserten Arbeitsmarktzugang –, über die unsere Partei während der rot-grünen Jahre glücklich gewesen wäre“, verteidigte er Kretschmanns Entscheidung gegenüber der Welt. (krk)