BERLIN. AfD-Chef Bernd Lucke hat sein Abstimmungsverhalten im EU-Parlament bei einer rußlandkritischen Resolution verteidigt. In dem von ihm und Partei-Vize Hans-Olaf Henkel sowie Joachim Starbatty unterstützen Antrag sei keineswegs das Verhängen von Sanktionen gegen Rußland gefordert worden.
Vielmehr sei es um die Vorbereitung von Sanktionen gegangen, für den Fall, daß Rußland die Lage in der Ostukraine weiter destabilisiere. Er stehe auch weiterhin uneingeschränkt hinter dem Beschluß des Bundesparteitags von Erfurt. „Insbesondere halte ich Wirtschaftssanktionen gegen Rußland auch in der jetzigen Lage für kontraproduktiv und konflikteskalierend“, schrieb Lucke in einer Stellungnahme auf Facebook.
Am Dienstag hatte der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland das Abstimmungsverhalten von Lucke, Henkel und Starbatty scharf kritisiert und ihnen ein unloyales Verhalten gegenüber der Parteibasis vorgeworfen. Es ärgere ihn, „wenn Abgeordnete unserer Partei im EU-Parlament in solch zentralen Fragen gegen Parteitagsbeschlüsse stimmen, ohne daß es darüber vorher eine Diskussion gibt und die Landesverbände dann davon über Facebook erfahren“, sagte Gauland der JUNGEN FREIHEIT.
Lucke: EU muß vorbereitet sein
Dem hielt Lucke entgegen, die Europäische Union müsse angemessen reagieren können, „wenn der Konflikt etwa durch eine militärische Intervention Rußlands in der Ostukraine zu einem offenen Krieg würde“. Ein solcher Schritt Rußlands stünde im klaren Widerspruch zum Erfurter Beschluß der AfD, betonte Lucke.
Im übrigen habe die Resolution auch die „völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Destabilisierung in der Ostukraine“ verurteilt und die Vereinbarung einer Freihandelszone mit der Ukraine begrüßt. Positionen, die er unterstütze und gegen die er nicht hätte stimmen wollen.
Eine Resolution, die von so vielen verschiedenen Abgeordneten und Parteien aus unterschiedlichen Ländern getragen werde, werde nie zu hundert Prozent den eigenen politischen Vorstellungen entsprechen, erläuterte Lucke. Dennoch gehe es darum, abzuwägen, wieviel Positives und wie viele Unzulänglichkeiten darin enthalten seien.
Auch Henkel rechtfertigt Resolution
„Fraktionszwang haben wir weder in der ECR-Fraktion noch in der Gruppe der AfD-Abgeordneten. Das halte ich für richtig. Eine Partei, die sich für Meinungsfreiheit einsetzt, muß diese auch bei ihren Abgeordneten praktizieren“, rechtfertigte der AfD-Chef. Die Ukraine-Krise sei eine Krise, in der es um Krieg und Frieden gehe, sowie um Leben und Tod. „Da muß jeder Abgeordnete nach seinem Gewissen entscheiden“, unterstrich Lucke.
Bereits am Dienstag hatte Henkel das Abstimmungsverhalten verteidigt. „Die heftige Reaktion von Alexander Gauland beruht auf einem Mißverständnis“, sagt Hans-Olaf Henkel der Welt. Bei der Abstimmung sei es „nicht um klassische Wirtschaftssanktionen gegen Rußland“ gegangen, sondern „um Sanktionen gegen einzelne Personen und Organisationen, die zum korrupten inneren Kreis um Wladimir Putin gehören“.
Zudem sei die AfD eine Partei, „die von Vernunft bestimmt und meist von Vernünftigen vertreten“ werde. „Dazu gehört, daß wir keinem stumpfen Kadergehorsam folgen, sondern unseren Menschenverstand pflegen.“ Die Abstimmung im EU-Parlament sei ein schönes Beispiel „für gelebte Meinungsfreiheit in der Partei“.
Gauland hält an Kritik fest
Alexander Gauland hielt am Mittwoch an seiner Kritik fest. „Es bleibt ein Dissens“, sagte Gauland der JF. Er habe die Stellungnahmen Luckes und Henkels zur Kenntnis genommen und auch mit Lucke gesprochen. „Inhaltlich sind wir in dieser Frage unterschiedlicher Meinungen.“ Dies sei in einer Partei auch völlig in Ordnung und er müsse Luckes und Henkels Positionen schließlich nicht unterschreiben.
Was nicht in Ordnung sei, sei die Vorgehensweise. „Wir diskutieren im Bundesvorstand über alles Mögliche, aber über eine solch wichtige Entscheidung wird nicht geredet, sondern man wird vor vollendete Tatsachen gestellt“, kritisierte der AfD-Vize. Es gebe nach wie vor einen Parteitagsbeschluß und einen Bundesvorstandsbeschluß zur Ukrainekrise. Und wenn AfD-Abgeordnete im EU-Parlament davon abweichende Positionen verträten, müsse zuvor darüber geredet werden. (krk)