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Finanz- und Schuldenkrise: Gefährliche Trägheit

Finanz- und Schuldenkrise: Gefährliche Trägheit

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Finanz- und Schuldenkrise
 

Gefährliche Trägheit

In einer Stimmung von Apathie und Gleichgültigkeit hat die
Regierung leichtes Spiel, die Euro-Katastrophe bis zur Bundestagswahl hinauszuzögern und der häßlichen Wahrheit ständig andere und nettere Gesichter zu geben. Doch dann wird die Bankenunion und damit der Schlüssel zum deutschen Vermögen kommen.
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500-Euro-Banknoten: Refinanzierung der Rettungsschirme wird immer teurer Foto: pixelio.de/Andrea Damm

Europa krankt am Gelde. Die Sparprogramme haben nichts geholfen, die Wirtschafts- und Währungskrise grassiert weiter. Aus wahltaktischen Gründen unternimmt die deutsche Regierung alle Anstrengungen, damit die Dämme nicht vorzeitig brechen. Nach dem 22. September, dem Termin der Bundestagswahl, ist alles egal. Dann darf auch die bisher von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) energisch bekämpfte „Bankenunion“ kommen.

Im Euro-Lager sind Überbringer schlechter Nachrichten besonders unbeliebt. Dazu gehören die amerikanischen Ratingagenturen, die man am liebsten durch eine EU-geführte Institution mit Gefälligkeits-Testaten ersetzen würde. Standard & Poor’s, eine dieser Agenturen, senkte erst kürzlich für Italien den Daumen. Das Land hat seine versprochenen Hausaufgaben nie abgeliefert, der Schuldenstand stieg bis Ende 2012 auf 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Genauso wie die Griechen, deren Schuldenstand bei 156,9 Prozent liegt, kann Italien seine Schulden niemals zurückzahlen.

Refinanzierung der Rettungsschirme wird immer teurer

Ähnlich ist die Lage in Frankreich, dessen Schuldenstand sich auf 90,2 Prozent erhöhte und angesichts der wirtschaftlich ratlosen sozialistischen Regierung weiter steigen wird. Als Konsequenz entzog Fitch als letzte der drei großen Ratingagenturen Frankreich den AAA-Status. Wenn die Ratings für die großen Euro-Länder weiter fallen, und das werden sie, kommen die Bewertungen der Rettungsschirme ins Wanken, wodurch deren Refinanzierung teurer wird. Die EFSF wurde jüngst bereits herabgestuft.

Statt die Fakten auf den Tisch zu legen und Prognosen über die folgenden Belasungen für den deutschen Staatshaushalt abzugeben, also den Bürgern endlich reinen Wein einzuschenken, entfaltet die Bundesregierung ganz andere Aktivitäten. Der Polittourismus nach Athen ist verräterisch. Erst flog der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nach Athen, offenbar um den dringend einen Schuldenschnitt fordernden Griechen etwas Zeit abzuhandeln. Der griechische Wirtschaftsminister, Kostis Chatzidakis, jedenfalls ist schon überzeugt, „daß unsere Partner ihre Solidarität mit Griechenland zeigen werden“. Auch sein EU-Parteifreund Schäuble sagte sich in Athen an – aus gleichen Motiven wie unser Außenminister

Ganz Europa ist währungstechnisch am Ende 

Wenn in kleinen Ländern wie Griechenland oder Zypern die Krise eskaliert, kann das der Funke sein, der ein großes Land zur Explosion bringt mit der Folge, daß ganz Europa währungstechnisch am Ende ist und zugrunde geht. Eindringlich warnte bereits die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, daß Frankreich und Italien „die neuen gefährlichen Krisenherde“ bilden.

Daher versucht Berlin, die Zündfunken überall auszutreten. Um den Untergang der spanischen Banken zu verhindern, reichte die deutsche staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf Anweisung der Bundesregierung 800 Millionen Euro Kredit an den iberischen Bankensektor aus. Jeder weiß, daß das Geld nie zurückkommt, aber kein Staatsanwalt ermittelt wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel.

Der deutsche Michel ist nicht auf die Straße zu bekommen

Und Schäuble stört sich nicht daran, daß die Unterstützung Spaniens über einen Schattenhaushalt wie die KfW einer ist, einen Verstoß gegen das Prinzip der Haushaltsklarheit darstellt. Aber da es in der Euro-Frage keine Opposition mehr im Bundestag gibt, kommt der Finanzminister mit dem Manöver durch, dessen einziger Zweck darin besteht, den Deutschen Ruhe an der Euro-Front vorzugaukeln.

Bisher haben ja auch alle Tricks und Täuschungsmanöver funktioniert. Der deutsche Michel ist einfach nicht auf die Straße zu bekommen, selbst wenn er durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) pro Jahr zehn Milliarden Euro Vermögen verliert. Statt gegen den Zusammenbruch von Renten, privater Altersvorsorge und Erspartem zu demonstrieren und etwa das EZB-Gebäude in Frankfurt mit einer Massendemonstration einzukesseln, sind die Deutschen damit beschäftigt, ihre Tagesgelder von einer Bank zur anderen umzuschichten, weil sie dort lächerliche 0,1 Prozent mehr Zinsen bekommen.

Gebraucht wird das frische Geld der deutschen Kreditinstitute

In dieser Stimmung, einer Mischung aus Apathie und Gelassenheit, hat eine Regierung leichtes Spiel, der häßlichen Wahrheit ständig andere und nettere Gesichter zu geben. Gebremst wird noch von Berlin bei der „Bankenunion“. Banken haben für die am Schuldentropf hängenden Politiker die gleiche Bedeutung wie für einige Politikergenerationen vor ihnen Rüstungsfabriken.

Nachdem es in Europa unüblich geworden ist, sich den Weg freizuschießen, wird heute alles mit (fremdem) Geld erledigt. Um die Schuldverschreibungen und Anleihen der Staaten unters Volks zu bringen und in Versicherungen zu plazieren, werden Banken gebraucht, die jedoch durch ihre Zockerei weitgehend am Ende sind. Gebraucht wird frisches Geld, und das liegt in den Selbsthilfeeinrichtungen der deutschen Kreditinstitute, die für den Notfall milliardenschwere Rücklagen gebildet haben.

An diese Fleischtöpfe wollen Spanier, Griechen, Franzosen, Italiener und andere mit der „Bankenunion“. Sie werden das Geld von Merkel und Schäuble bekommen. Aber erst nach dem 22. September und bloß nicht vorher, weil dann Euro-kritische Politiker ins Parlament einziehen könnten und Deutschland damit hätte, was ihm heute fehlt: eine parlamentarische Opposition, die ihren Namen verdient.

JF 30-31/13

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